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A Tribute to Franz West : Hommage an den Katalysator

„Je näher man ein Bild ansieht, desto ferner blickt es zurück“, zitierte Herbert Lachmayer (1) in seiner brillanten Rede anlässlich der Ausstellungseröffnung „A Tribute to Franz West“. Merkwürdiger Weise lässt sich eine solche Bewandtnis weniger in puncto der angesprochenen Schau bei Philipp Konzett, sondern vielmehr in Anbetracht ihres großen Pendants, der West–Retrospektive im mumok, nachvollziehen. Die musealisierten West-Stücke verbleiben in der unantastbaren säuberlichen Ordnung, welche die Institution vielleicht verlangt – jedenfalls unerreichbar in einer Distanziertheit, die man dem Verstorbenen gerade nicht beimessen möchte, und das Ganze wirkt dem entsprechend unbeseelt. Es ist ein wundersames Paradox, dass trotz – oder weil – kaum Originale von West, sondern Tribute von 71 KünstlerInnen in ihrer differenzierten Gemeinsamkeit Wesentliches der Persönlichkeit Franz Wests widerspiegeln und so die Museumsausstellung mit jenem essenziellen Aspekt ergänzen können, der dort so fehlt. In Wests inzwischen ins Extreme avancierten Gekrösen, Klumpen und Lemuren (die nach seinem Wunsch eigentlich aufgrund hineingeworfener Abfälle aus dem Schlund stinken sollten) manifestiert sich nicht nur eine unkonventionelle Umsetzung intellektueller Lektüre, wie philosophischer und psychoanalytischer Texte. Seine anarchistische Haltung gegenüber dem „guten Geschmacksurteil“ in einem bürgerlichen Ordnungssystem transportiert vor allem eine Ironie, die in ihrer subversiven Präsenz elegant und zugleich frappant, unnachahmlich amüsant ist. Seine Leichtigkeit, mit der er das Dogma der Autorenschaft zu pervertieren und dabei in ein unerwartetes Anderes positiv zu formulieren wusste, zeigt etwa sein Beitrag auf der Biennale 2011. Dort präsentierte sein Para Pavillon im Arsenale nichts anderes als die Wände seiner Ateliersküche mit der eigenen Sammlung von Werken ihm nahe stehender KünstlerInnen. Anton Herzl, der West über viele Jahre begleitet hat, ging in der Kuratierung der Ausstellung bei Konzett methodisch vergleichbar vor. West war ein Katalysator in einem Netzwerk, in dessen Brennpunkt ein Kunstbegriff stand, der als lebensübergreifender Diskurs praktiziert worden ist. Also versammelte Herzl Werke aus eben diesem künstlerischen Dunstkreis: Da hängt eine Riesenporträt von der Hand der Witwe Wests, Tamuna Sirbiladze, das einen blendend aussehenden Strahlemann zeigt, der er sicher nicht gewesen ist. Authentischer ist die gestickte, späte Realisierung eines Textes, den West gemeinsam mit Hans Weigand zu Martin Kippenberger verfasst hat, als „textiles“ Bild. Auf die produktive Verbundenheit Wests mit Rudolf Polanszky deutet dessen Sprungfederzeichnung. Gelatin transformiert die visionäre Schöne, Mona Lisa, in ein Plastilinbild und versieht sie mit einer Knollennase, die nur als unschön bezeichnet werden kann. Marina Faust liefert mit einer großen Fotoarbeit ein vielschichtiges Porträt Philipp Quehenbergers, jenem Musiker, den West besonders geschätzt hat und mit dem er eng befreundet gewesen ist. Die Umkehrung von einstigen Verhältnissen in aktuelle macht in leichtfüßiger Verschmitztheit Songül Boyraz offensichtlich. Die fotografische Aufnahme des Atelierbodens des ehemals in der Kunstszene geächteten Franz West ist als Deckengemälde platziert. Wo traditioneller Weise eine triumphale Glorifizierung positioniert wird, hängt an einfachen Ketten die Reproduktion jenes Fußbodens, der von West bekleckert worden ist. Ein vorgeblich unbeholfen modellierter Ton-Hase zeigt grinsend die Zähne, die eine Klaviertastatur in Miniaturform sind. Sein Urheber nennt sich zur Zeit Georg Rei (cut and scrape) – er wechselt seinen Namen immer wieder, ganz beiläufig. Anton Herzl paraphrasiert Wests Versuche, Objekte der Psyche zu verdinglichen, anhand einer Paraphrase auf Lacans „Objekt klein a“. Einige originale Passstücke in einer historistischen Vitrine und frühe Fotografien aus Wests privatem wie beruflichem Leben runden das Panoptikum ab. In der Vernachlässigung jeder Systematik ist die Anordnung vollkommen undidaktisch und nicht hierarchisch. Herzl orientierte sich an Wests Strategie, ein herkömmliches ästhetisches Werturteil zu disqualifizieren und dadurch andere zu ermöglichen. Die Referenz an West ist in den einzelnen Exponaten weniger oder stärker sichtbar, manchmal je deutlicher umso banaler. Künstlerische Emphase dominiert die Atmosphäre und setzt eine spannungsreiche Dynamik frei, die das heterogene Bild so potenziert. Wests Puls ist auch posthum präsent und spürbar. Ein umfassender Katalog begleitet die Ausstellung. Sehr persönliche Beiträge der KünstlerInnen offenbaren darin neue Aspekte zur Künstlerpersönlichkeit Franz West. (1) Die eingangs angeführten Worte haben oft inspiriert und wurden bereits für verschiedenste Kontexte verwendet. Sie beruhen im Grund auf Karl Kraus: „Je näher man ein Wort ansieht, desto ferner sieht es zurück.“ (Die Fackel, Heft 326, 1911, S. 44)
Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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A Tribute to Franz West
22.03 - 25.05.2013

Konzett Wien
1010 Wien, Spiegelgasse 21
Tel: +43 (0)664 34 01 677, Fax: +43 (0)1 513 01 04
Email: gallery@artkonzett.com
http://www.artkonzett.com
Öffnungszeiten: Di - Fr: 10:00 - 18:00, Sa: 11:00 - 16:00 Uhr


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