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Hundertwasser, Japan und die Avantgarde: Avantgarde mit Hundertwasser gewaschen

In der Gegenwart gebiert jedes Jahrzehnt seine eigenen Künstler-Typen. Der Maler Friedensreich Hundertwasser, eine der bekanntesten und im eigenen Land umstrittene und auch als Kitschkünstler bezeichnete Figur, war dieser Regel in den 1950er Jahren weit voraus. Mit seinen in der Öffentlichkeit findig inszenierten Auftritten als kryptischer Einzelgänger und „Fremder in der eigenen Kultur“ nahm er einen Künstlertypus vorweg, der sich erst in den 60er Jahren international zu etablieren begann: Er war ein karriere-, körper-, mode- und umweltbewusster Netzwerker, Selbstvermarktungsgenie, visionärer Individualist, Baumeister und Straßenperformer. Sein sechsmonatiger Aufenthalt in Japan 1961 brachte ihm nicht nur kühne künstlerische Erfolge, sondern auch Glück in der Liebe. In der Rückschau erinnert seine Heirat mit der japanischen Künstlerin Yuko Ikewada an die spätere Ehe John Lennons mit Yoko Ono. In all diesen Rollen neigte Hundertwasser, als Protagonist des Nachkriegshumanismus, zur Weltverbesserung und zum Aufbau einer Welt, die anders sein sollte als die rationale, massenkompatible, serielle und rechteckige Moderne. Zugleich schnellten die Marktwerte seiner Werke in enorme Höhen. Laut den Katalogautoren trat er in den 1950er Jahren in Paris und danach in Mailand mit fast allen wichtigen Vertretern der internationalen Avantgarden in Berührung und unterlag in seinem provokanten Frühwerk wie viele seiner europäischen und amerikanischen Künstlerkollegen den Einflüssen der asiatischen, insbesondere der japanischen Kultur und der Zen Philosophie. Seine Wiederentdeckung und Umwertung steht im Fokus der aktuellen Ausstellung „Hundertwasser, Japan und die Avantgarde“ im unteren Belvedere. Ihr Ziel ist es, Hundertwassers Image als Einzelgänger zu entkräften und den Symbolwert seiner Arbeiten vertieft wissenschaftlich zu erfassen. Die in sechs Themenbereiche gegliederte Präsentation beginnt mit der für die 50er Jahre obligatorischen Wende zur Abstraktion als Ausdruck künstlerischer Freiheit. Während der Besatzung Österreichs begegnet man in Hundertwassers Schaffen dem besonderen Drang nach Freiheit und Individualismus. Dies belegen die fotografischen Dokumentationen seiner diversen performativen Aktionen wie „Die Werte der Straße“ oder das etwa zeitgleich veröffentlichte Manifest zu „Transautomatismus“ und „neuen Gestaltungsweisen“. Hundertwassers Credo „Der Mensch muss selbst schöpferisch tätig sein. Und zwar jeder ...!!“, kann man heute, in der Ära des Neoliberalismus, jedoch nicht nur humanistisch auslegen. Im Hauptgang der Ausstellung dominieren vor allem Hundertwassers angesehene, tektonisch wirkende Kringelbilder, derer verschiedene Variationen sowohl formal als auch inhaltlich mit Arbeiten – Skulpturen, Zeichnungen und Bildern – anderer Avantgardisten, darunter John Cage, Yves Klein und Manzoni sowie Hundertwassers japanischen Künstlerfreunden wie dem Bildhauer Shinkichi Tajiri oder dem Maler Akira Kito, präsentiert werden. Einige dieser gewollten Parallelen sind durchaus gelungen – wie jene mit Tajiri, Constant, Corneille oder Capogrossi – andere – wie mit John Cage, Adolf Wölfli oder Lucio Fontana – verfehlen ihre gut gemeinte Absicht und wirken eher kontraproduktiv. Fontanas durchlöchertes Bild „Concetto Spaziale“ (1949) erweitert dekonstruktivistisch den allgemeinen Bildbegriff, wogegen der ästhetische Neuwert bei Hundertwassers Gemälden bescheiden ausfällt. In ihnen bleibt der österreichische Künstler den tradierten kosmischen Strukturen und Vorbewusstseinsstadien als Abbild der inneren Werte treu. Danach verwirklicht er seine universellen Ideale gegen den „Untergang der Menschheit“ durch das Diktat der geraden Linie wie ein Franchise-Unternehmen anhand von fragwürdiger geschmackloser Weltverschönerung in unterschiedlicher Baugestalt – als Müllverbrennungsanlage, Autobahnraststation, Bierturm, Thermenhotel, Markthalle, Bahnhof, Brunnen oder Wohnhaus.
Mehr Texte von Goschka Gawlik

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Hundertwasser, Japan und die Avantgarde
06.02 - 30.06.2013

Unteres Belvedere
1030 Wien, Rennweg 6
Tel: +43 1 795 57-200, Fax: +43 1 795 57-121
Email: info@belvedere.at
http://www.belvedere.at
Öffnungszeiten: Täglich 10 bis 18 Uhr, Mittwoch 10 bis 21 Uhr


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