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Arte Fiera Bologna 2013: Provinzialität als Gütesiegel

Köln wird gerne als italienischste Stadt Deutschlands bezeichnet. Wenn dem so ist, dann könnte Bologna auch als Köln Italiens durchgehen. Zumindest legt die in Rekordgeschwindigkeit von über 200 auf 135 Galerien geschrumpfte Arte Fiera diesen Schluss nahe. Die ehemalige Direktorin, die im Interview mit artmagazine.cc letztes Jahr noch den regionalen Fokus der Messe als Stärke hatte verkaufen wollen, wurde wegen ausbleibenden Erfolgs oder anderen, eher opaken Gründen jetzt durch ein Direktorenduo aus zwei regionalen Kunsthistorikern ersetzt, die man getrost als Golden Agers bezeichnen darf. Zu sehen sind sie auf der Messe wohl nur auf den in der Halle verteilten Monitoren, auf denen Werbefilmchen ohne Ton laufen. Das Motto der Arte Fiera lautet heuer: "Made in Italy". Wer den italienischen Sinn für Humor kennt, weiß: Das ist genau so gemeint - ironiefrei und ohne Hintergedanken. Ausländische Aussteller gibt es in diesem Jahr folgerichtig ganze elf, davon allein sechs aus Deutschland. Und da ist Mario Mazzoli schon dabei. Dessen Vater ist einer der alteingesessensten Galeristen Italiens aus Modena. Der Junior betreibt seit drei Jahren eine Galerie hauptsächlich für akustische Kunst in Berlin, wo es für ihn als Italiener nicht besonders leicht ist, vielleicht auch wegen der Sprachbarriere. Bologna findet er "trauriger als letztes Jahr." Das war es allerdings schon im letzten Jahr. Die Zahl der Galerien habe gegenüber den Händlern weiter abgenommen, so seine Beobachtung, und die Qualität der Zeitgenossen sei schon mal besser gewesen. Immerhin, verkauft hat er schon etwas am Eröffnungstag. Diana Lowenstein kommt bereits seit fünf Jahren aus Miami nach Bologna und profitiert jetzt von ihren Bestandskunden. Sonst wäre es wohl auch für sie schwierig. Ihr gefällt an den hiesigen Sammlern, dass sie sich zunächst für die Kunst selbst interessierten und erst zuletzt nach CV und Ausstellungen fragten. Spontankäufe macht sie ihren Kunden relativ leicht. Die zur Eröffnung an einen (italienischen) Sammler gegangene mannshohe Skulptur von Santiago Villanueva kostete gerade einmal 7.000 Euro - als Unikat. Zeitgenössische Kunst geht nur, wenn der Preis nicht wehtut. Sie ist jedoch ohnehin spärlich gesät. Zu den wenigen ernstzunehmenden Positionen gehört die hier aus dem Rahmen fallende Solo-Präsentation von Armando Lunaj bei Paolo Maria Deanesi aus Rovereto, die sich mit Machtausübung und Gewalt in totalitären Systemen auseinandersetzt. Sein Filmbeitrag "Never" - ein Wortspiel mit dem Vornamen des ehemaligen albanischen Diktators - läuft ebenfalls im Forum Expanded der diesjährigen Berliner Firmfestspiele. Jenseits des Einstiegssegments wird es dann öde. Klein- bis mittelformatige Flachware dominiert die Stände. Die große Geste mag sich kaum noch jemand leisten. Dafür Bonalumi, Castellani, Fontana soweit das Auge reicht. Etablierte Künstler - besonders, wenn es sich um Italiener handelt - haben dieses Jahr ihren großen Auftritt in Bologna. Das spektakulärste Werk der Messe ist jedoch unverkäuflich, und es sieht auch gar nicht so spektakulär aus. Die Galerie 2000 & Novecento leistet sich als Blickfang für Eingeweihte ein fedriges Rechteck in einem nicht mehr ganz frischen großen Plexiglaskasten. Es handelt sich dabei um das größte Werk von Piero Manzoni aus der Serie "Achrome - fibra di vetro", von denen es 36 gibt. Es stammt aus jahrzehntelangem Privatbesitz und soll die Präsentation von sechs Künstlern abrunden. Zu haben ist von Manzoni am Stand lediglich eine sehr kleine bandagierte Leinwand, die immerhin 300.000 Euro kosten soll und - wen wundert's - noch zu haben ist. Zu den Verkäufen lässt sicht jedoch kaum etwas Zuverlässiges sagen. Ein Galerist etwa erklärt zwar, er habe richtig gut verkauft und zählt auch die Werke auf. Er möchte sich allerdings nicht zitiert sehen. Die Guardia di Finanza hat ihre Augen und Ohren zurzeit überall. Jedenfalls wird das vermutet. Und das reicht schon, um Sammler und Händler in gemeinschaftliche Omerta verfallen zu lassen. Wer wenigstens einigermaßen international anschlussfähige junge Kunst sehen möchte, sieht sich am besten in der Stadt die Wettbewerbsbeiträge der fünf Kandidaten für den Premio Furla an. Die Gewinnerin Chiara Fumai dürfte mit ihrer kuratorenkompatibel in der jüngeren Kunstgeschichte verwurzelten performativen Feministenware bei geschicktem Marketing einer erfolgversprechenden Karriere entgegensehen.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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Arte Fiera Bologna 2013
25 - 28.01.2013

Arte Fiera Bologna
40100 Bologna, Quartiere Fieristico di Bologna
http://www.artefiera.bolognafiere.it
Öffnungszeiten: Do-Sa 10.30-20, So 10.30-19 Uhr


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