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Letzte Bilder - Von Manet bis Kippenberger: Last Order

„Time, Gentlemen please“, nannte Oskar Kokoschka voller Ironie 1972 im Tonfall der letzten Bestellung des Abends in englischen Pubs sein letztes Gemälde. Was sollte auch noch folgen außer dem finalen Ruf? Der gute Mann war 85 Jahre alt hatte vom Enfant Terrible bis zum gefeierten sonoren Künstler alles erlebt. Welch glückliche Fügung, das Spätwerk war zum Alterswerk geworden. Kaum, dass man den Mann an der Staffelei identifizieren könnte, umso mehr erkennt man kraftvoll und frei gemalt das alterslose Konterfei des Künstlers auf der nach gerade erleuchteten Leinwand, ein Gemälde als finales Statement. Danach wird sich Kokoschka bis zu seinem Tod 1980 nur mehr seinem graphischen Œuvre widmen. Wie reagieren, wenn das Ende naht? Lassen sich „Letzte Bilder“ auf stilistische Gemeinsamkeiten subsumieren, ist womöglich Strategie im Spiel? Führen jene Werke die Kontinuität eines Œuvres fort oder gibt es doch noch einen Bruch, eine neue Sicht, Technik, sei es nun aktiv betrieben oder durch die Umstände erzwungen ? Esther Schlicht hat als Kuratorin der Ausstellung „Letzte Bilder – Von Manet bis Kippenberger“ in der Frankfurter Schirn gut daran getan, all jene Fragen aufzuwerfen ohne eine allgemein gültige Antwort anzubieten, stattdessen lässt sie die 14 unterschiedlichen Positionen in einem losen Paarlauf Revue passieren, ansonsten stehen die Werke für sich. Und es sind in der Frankfurter Ausstellung eher Werkgruppen, Variationen, einer Idee, die umkreist wird. Claude Monets Seerosen beispielsweise, das beharrlich verfolgte Alterswerk eines Künstlers, das sich im diffusen Licht in der Ebene der Wasseroberfläche zu verlieren scheint, treffen hier auf kleine Blumenarrangements in gläsernen Vasen, die der eben einmal 50-jährige Edouard Manet, während der letzten Monaten in seiner Mobilität bereits höchst eingeschränkt, als Spätwerk hinterlassen hat. Was dem einen als Vermächtnis für die Öffentlichkeit bestimmt war, sollte dem anderen Grußbotschaft für Menschen aus seinem Umfeld sein. Und während sich Henri Matisse allen körperlichen Gebrechen zum Trotz vom Rollstuhl aus mit Papier und Schere eine letzte über die Maßen erfolgreiche Werkphase schnitt, wollte die Kunstkritik die Werke eines zunehmend in Demenz verfallenen Willem de Kooning vorerst nicht so richtig anerkennen. Giorgio de Chirico wurde noch einmal humorvoll im Rückblick auf sein Schaffen und bei Andy Warhol ahnte nicht einmal er selbst, dass ausgerechnet Paraphrasen auf Leonardos Letztes Abendmahl sein Werk eher abrupt finalisieren würden. Umsichtig wie klug sind jene Konstellationen hergestellt, sie laden ein, Relationen herzustellen und geben dem Ausstellungskonzept einen gewissen Zusammenhalt. Nachgerade übermütig heiter wirken die letzten Arbeiten von Giorgia O´Keeffe, die im Alter noch das Reisen mit dem Flugzeug für sich entdeckt hatte. Der Farbverlauf des Himmels über den Wolken und die Weite der Landschaften aus luftiger Höhe ließen die Künstlerin noch einmal ganz neu anfangen. Später, als sie ihr Augenlicht mehr und mehr verließ, meinte sie 90-jährig: „Ich kann sehen, was ich malen will. Das, was einen schöpferisch sein lassen will, ist noch immer da“. Aber legte nicht bereits Platon Sokrates im „Gastmahl“ in den Mund: „Das Auge des Geistes fängt erst an scharf zu sehen, wenn das leibliche von seiner Schärfe schon verlieren will.“
Mehr Texte von Daniela Gregori

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Letzte Bilder - Von Manet bis Kippenberger
28.02 - 02.07.2013

Schirn Kunsthalle Frankfurt
60311 Frankfurt am Main, Römerberg
Email: welcome@schirn.de
http://www.schirn.de
Öffnungszeiten: Di - So 11.00-19.00 Uhr, Mi - Sa 11.00-22.00 uhr


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