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Artissima 2012: Gut bedient in Turin

Ani Molnar strahlt vor Freude. Der Stand ihrer Budapester Galerie ist nicht nur einer der Hingucker auf der Artissima in Turin, sie hat auch schon zur Vernissage eine luftmatratzenförmige Skulptur von Szilárd Cseke (13.000 Euro), die sich wie ein Atemobjekt pneumatisch hebt und senkt, an einen italienischen Sammler verkauft. Da sie gerade erst seit letztem Jahr an internationalen Messen teilnimmt, hat sie den Käufer erst hier kennengelernt. Das Käuferprofil ist kein Zufall: Die einheimischen Institutionen haben kein Geld mehr - am Stand einer italienischen Galerie konnte ein Museumsdirektor dabei beobachtet werden, wie er bei einem Werk für 5.000 Euro hartnäckig um die Mehrwertsteuer feilscht - und ausländische BesucherInnen haben Seltenheitswert. Das Problem ist alt und der neuen Direktorin Sarah Cosulich Canarutto durchaus bewusst. Ihre beiden männlichen Vorgänger haben nach ihren jeweils recht kurzen Gastspielen eine Messe hinterlassen, die zwar auf Ausstellerseite ausgesprochen international aufgestellt ist – nur 53 der mittlerweile 172 Galerien stammen noch aus Italien – doch bei ausländischen SammlerInnen und KuratorInnen scheint sich das noch nicht herumgesprochen zu haben. Dabei gibt es kaum eine Messe, die so konsequent auf Avantgarde und intellektuelle Auseinandersetzung baut wie die Artissima. Mit der sonst ubiquitären Glitzerware ist hier kein Blumentopf zu gewinnen. Das liegt an der starken Gründung der italienischen Kunstszene in Minimalismus, Arte Povera und Konzeptkunst. Diese Richtungen finden sich nicht nur in den Museen, sondern auch in den Privatsammlungen Italiens, und auch die jüngeren KünstlerInnen schöpfen aus dieser Tradition. Daher bietet die Messe mehr Skulpturen, Installation und Medienkunst, als man anderenorts zu sehen bekommt. Da wirken Alexej Meschtschanows Installationen bei Klemm's geradezu traditionell. Auf Fotos von angehenden Filmsternchen der 50er Jahre, aus denen nie etwas geworden ist, montiert er geweihartige Protuberanzen aus Stahlrohr (3er Auflage, 7.500 Euro). Figge von Rosen aus Berlin und Köln zeigen in der Sektion Present Future eine Einzelpräsentation von Anna K.E. mit im Wortsinne sperrigen und bis PKW-großen Installationen (9.000 bis 12.000 Euro). Markus Peichl von der Berliner Galerie Crone nimmt das erste Mal teil und ist denn auch verwundert und begeistert zugleich: "Das Tempo ist schon ein ganz anderes hier; da war selbst Wien schneller, und das will schon etwas heißen", meint er. Andererseits ist er ganz hingerissen von der Sektion Back to the Future, in der er Hanne Darboven (16.000 bis 720.000 Euro) präsentiert. Umgeben von historischen Positionen wie Erwin Thorn (bei Georg Kargl, Wien), Maria Lassnig (Barbara Gross, München) oder Franco Vaccari (P420, Bologna) fühlt er sich "zehnmal wohler als auf anderen Messen. Die Besucher gehen auch viel mehr darauf ein. Sie laufen zwar zwei-dreimal am Stand vorbei, aber irgendwann kommen sie und fragen nach." Und noch am ersten Tag hat eine gar nicht mal so große Arbeit für einen mittleren fünfstelligen Betrag einen neuen Besitzer: einen italienischen Privatsammler. Die Galerien, die auf diesen Kundentyp abstellen, fahren in der Regel gut. Diese Erfahrung macht auch Rosemarie Schwarzwälder von Nächst St. Stephan aus Wien, die nach einer zimmergroßen und daher unverkäuflichen Installation im letzten Jahr jetzt mit nur kinderkleinen Stahlrohrskulpturen von Sonia Leimer (3.600 bis 5.500 Euro) angereist ist, die sehr gut ankommen. Wer wissen will, wie es um die aktuelle Kunst international steht und wo sie herkommt – und darüber hinaus vielleicht auch welche erwerben möchte – ist in Turin gut bedient.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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Artissima 2012
09 - 11.11.2012

Oval - Lingotto Fiere
10126 Turin, Via Nizza 294
Email: info@artissima.it
http://www.artissima.it
Öffnungszeiten: täglich 11 - 19 h


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