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Hans Weigand / Elfie Semotan: Mars sucht Venus

Wir leben grundsätzlich in einer völlig ästhetisierten Welt, in der Kunst sich durch brillante und (zu) aufwendige Inszenierungen definiert. Ein Beispiel für eine derartige Zeiterscheinung bildete unlängst u. a. die grandiose Ausstellung Lucas, Bosch, Gelatin in der Kunsthalle Krems. Auch in den während des Vienna Gallery Weekend vor dem Publikum ausgetragenen Bekenntnis-Monologen einiger anerkannter KünstlerInnen erlangten Selbstinszenierungen des Ich deutlich die Oberhand. Ein weiteres Exempel dieses Phänomens, wenn auch in kleinerem Ausmaß, bietet die Doppelausstellung Hans Weigand und Elfie Semotan in der Galerie Gabriele Senn. Grund für die Zusammenarbeit der beiden Künstler war ihre Begegnung in der Wiener Galerie, in der sie aktuell – gemeinsam und doch getrennt – ihre jüngsten Werke zeigen. Beide Künstler erfreuen sich internationaler Bekanntheit. Weigand gilt als bedeutender Künstler seiner Generation, Semotan als die bekannteste österreichische Werbefotografin. Beide gelten als verwegene und kämpferische Persönlichkeiten mit stets innovativen Ideen. Es wundert daher wenig, dass sie sich geeinigt haben für die Ausstellung, quasi als Unmissverständlichkeit ihrer Wahlverwandtschaft, ein Bild gemeinsam fertigzustellen. Dieses Schlüsselwerk der Ausstellung stellt eine Wunderkammer dar, in der die aktuell in der Galerie ausgestellten Arbeiten auch bereits ihren Platz gefunden haben – sei es nun aus Lust oder Frust an der Selbstinszenierung. Nach seinen letzten opulenten Malcollagen und Panoramen mit dystopischen Inhalten überrascht Hans Weigand mit einer Reduktion monumental anmutender Ausdrucksmittel. Von der bisherigen Fülle des medialen Universums geht er, laut Pressetext, zur „Erhellung bzw. Hölle des Details“ über und zeigt assoziationsreiche Einzelsujets, die bedrohlich in die Vertikale ragen. Zu sehen sind zwei nahezu monochrome Wellen (o.T., 2012) in der Art, wie man sie aus den japanischen Holzschnitten kennt, und eine ihnen gegenüber platzierte Gruppe von Objekten aus Styrodur, sogenannte Wellenbrecher, mit silbrig leuchtenden Oberflächen gleichsam martialisch und frei aufgestellt. Während sich die weigandsche Endzeitekstase ganz menschenlos abspielt, greift Elfie Semotan in behutsamen Kleinformaten wie zum Trotz erstmals in ihrem Oeuvre das klassische Thema des Frauenakts auf und opponiert damit gegen die gewaltige Flut von Nacktheit in der heutigen Konsumwelt – konkret, wie sie meint, gegen eine „latente Entwertung des Frauenbildes als bloßes Objekt der (männlichen) Begierde“. „Frau und Kunst zivilisieren und legen die wilde Expression männlicher Sexualität lahm“, schrieb Lynda Nead in ihrem berühmten Buch über Frauenakte. Semotans Aktfotografien wirken durch die Anwendung einer alten Technik jedenfalls zeitlos. Sie zeigen die 50-jährige Freundin der Künstlerin auf einer Matratze liegend in einem nicht näher bestimmten und unspektakulären Raum. Das Körperbild der Frau, die ihr Gesicht dem Kamerablick stets entzieht, mag zwar anziehend sein, gleichzeitig ist es aber kaum makellos. Semotan deponiert ihre Akte damit abseits des aktuellen Kanons, in dem eine Kultur physischer Perfektion vorherrscht. Die Frau ist bei ihr kein Objekt der Exposition, vielmehr das lebendige Subjekt der Selbstinszenierung. Um die halluzinationsähnliche Sogwirkung der Werbung zu meiden, bedient sich Semotan gelegentlich auch der Materialität ihres Mediums und verwendet, wie Weigand in seinen Wellenbrechern über die Farbigkeit nur assoziativ, das Zelluloid. Aus ihm fertigt sie das Kleid für ein Lichtobjekt, exakt um die eigenen Regeln des Frauenbildes in der Öffentlichkeit aufzustellen. Wenn die Aktdarstellung als ein Diskurs über die in der Gesellschaft dominierenden Machtstrukturen und Kultur zu verstehen ist – geht es dabei also nicht nur um Formbildung oder Schatten- und Lichtspiele –, dann schreiben die beiden Künstler die Sexualität wieder in die metaphorische Sprache ihrer Kunst ein.
Mehr Texte von Goschka Gawlik

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Hans Weigand / Elfie Semotan
16.11.2012 - 12.01.2011

Gabriele Senn Galerie
1040 Wien, Schleifmühlgasse 1 a
Tel: +43 1 585 25 80
Email: office@galeriesenn.at
http://www.galeriesenn.at
Öffnungszeiten: Di-Fr 11-17h, Sa 11-14h


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