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München, irgendwie

Die Kunst-Messe München macht sich. Während ihre junge Schwester Munich Contempo, die mal versetzt, mal zeitgleich im Postpalast abgehalten wurde, kränkelt und in diesem Jahr aussetzt (erst einmal, versteht sich, im nächsten Jahr soll es weitergehen), erfreut sich die KMM bester Gesundheit und kann mit 51 Ausstellern sogar leicht zulegen, auch wenn die kritische Größe damit immer noch nicht erreicht scheint und man sich als Besucher irgendwie ein bisschen verloren vorkommt. Erfreulich ist, dass die Qualität nicht gelitten hat. Im Gegenteil: Für den gehobenen Anspruch steht schon die Sonderausstellung, die in diesem Jahr mit ausgewählten Schmuckstücken aus dem Grassi-Museum in Leipzig bestritten wird. Bei den Neuzugängen fällt einer besonders auf. Vertes Modern aus Zürich ist der jugendliche Ableger einer der beiden Partner von Salis & Vertes, von denen später noch zu sprechen ist. Wohl um ein Zeichen zu setzen, prunkt am Stand das teuerste Werk der Messe, ein "Portrait of a Woman" (Linda Oxenburg) Andy Warhols zu einer Million Euro. Noch etwas näher an der Gegenwart ist Erstteilnehmer Hubertus Melsheimer aus Köln, bei dem es eine A4-große übermalte Fotografie Gerhard Richters zu 125.000 Euro zu erstehen gibt. Den Großteil des Standes nimmt allerdings Klassische Moderne auf hohem Niveau ein. Die findet sich an einigen Ständen und muss nicht immer sechsstellig kosten. Bei der Galerie Döbele aus Dresden spezialisiert man sich auf Künstler aus der zweiten Reihe, die noch immer unterbewertet sind. Zauberhafte Papierarbeiten mit Revueszenen aus den wilden Zwanziger Jahren von Josef Hegenbarth gibt es hier für 20.000 Euro. Für Antiquitäten auf höchstem Niveau stehen Albrecht Neuhaus aus Würzburg, der "eines der schönsten" Bureau Plats von Pierre Roussel für 100.000 Euro gleich am ersten Tag an einen Kollegen verkauft hat oder Erstteilnehmer Dr. Thomas Schmitz-Avila aus Bad Breisig und neuerdings Bamberg. Bis hin zu Asiatika (bei Peter Hardt aus Radevormwald) und präkolumbianischen Artefakten bei dem leider viel zu versteckt liegenden America Antigua aus dem niederländischen Tilburg reicht das Angebot. Dabei finden sich zwischen der erwartbaren Ware durchaus einige Hochkaräter, wie etwa ein abstraktes Aquarell von Paul Klee, das wie gemalte Musik erscheint, das die Düsseldorfer Galerie Schwarzer frisch aus dem Museum anbietet. Highlights also auch hier und nicht nur auf der gleichnamigen Veranstaltung im Haus der Kunst, wo die KMM genau einmal im Jahr 2008 stattfand, als sie noch anders hieß. Mittlerweile ist dort die von Konrad O. Bernheimer inszenierte Edelmesse eingezogen, die allerdings irgendwie nicht so recht auf die Beine kommen will. Einen erheblichen Ausstellerrückgang auf 48 Teilnehmer hat die Veranstaltung zu verkraften, was ihrer Faszination jedoch keinen Abbruch tut. Für die hohe Qualität steht beispielhaft Neuzugang (vom Postpalast kommend) Christian Eduard Franke aus Bamberg. "Ich möchte mich mit meinen Objekten weiterentwickeln" erklärt er und vermeldet prompt den Verkauf eines Röntgen-Tischchens am ersten Tag. Nur der dürftige Besucherzuspruch trübt das Bild ein wenig. "Aber es kommt ja nicht darauf an, wieviele Leute kommen, sondern was für welche", heißt es am Stand der Galerie Schlichtenmaier aus Grafenau/Stuttgart. Beim Verkauf gleich mehrerer Gemälde deutscher Nachkriegskunst zu Preisen zwischen 70.000 und 200.000 Euro hat dieses Argument durchaus seine Berechtigung. Wienerrother & Kohlbacher aus Wien bestätigen diese These. Sie vermelden ihre erfolgreichste Teilnahme bisher. Sie haben je ein Werk von Lyonel Feininger und Alfred Kubin verkauft. In der hier vorherrschenden Preis- und Qualitätsklasse reicht das dann schon mal. Dabei können Besucher auf ihre Kosten kommen, ohne materiell etwas mit nach Hause zu nehmen. Helmut H. Rumbler stellt in seinem Stand die kompletten Serien von Piranesis "Carceri" (300.000 Euro) und Goyas "Desastres de la Guerra" (80.000 Euro) in jeweils vorzüglichen Erstausgaben gegenüber – so wohl kaum jeweils wieder irgendwo zu sehen. Auch für Auswärtige lohnt mittlerweile ein Abstecher zum Nockherberg. Eine ganze Reihe renommierter Händler ¬– nicht nur aus Süddeutschland – die von den lokalen Diadochenkämpfen und der rheinischen Bräsigkeit genug hatten, haben den Paulaner-Saal als bodenständige Alternative schätzen gelernt. Keul & Sohn (Wiesbaden), Dénes Szy (Düsseldorf) oder H.W. Fichter aus Frankfurt zeigen hier unter anderem ihr Programm. Zwischen allerhand Nippes und Volkskunst-Schnickschnack entdecken selbst Aussteller bedeutenderer Messen regelmäßig hohe Qualität zu günstigen Preisen. Der Münchener Biedermeier-Spezialist Axel Schlapka erklärt: "Ich komme seit sieben Jahren jeweils im Frühjahr und im Herbst hierher. Das hier ist immer meine beste Messe im Jahr." Denn die Veranstaltung hat zwar eindeutig regionalen Charakter, doch irgendwie "kommen alle hierhin", also auch die versierteren Sammler der anderen Veranstaltungen. Und damit ist man wieder beim Münchener Problem: Es gibt zeitgleich drei Kunst- und Antiquitätenmessen, die alle irgendwie ihr eigenes Profil haben und alle irgendwie ihre Berechtigung. Doch keine von ihnen ist groß oder bedeutend genug, um auch nur überregional – geschweige denn international – genügend Strahlkraft zu entwickeln, um aus dem Kunsthandelsstandort München auch einen wichtigen Kunstmessestandort zu machen. -- HIGHLIGHTS – Internationalen Kunstmesse München 20.10.2012 - 28.10.2012 Haus der Kunst Prinzregentenstr. 1, Eingang West 80538 München www.munichhighlights.com Kunst & Antiquitäten München 20.10.2012 - 28.10.2012 Paulaner am Nockherberg Hochstraße 77 81541 München www.kunst-antiquitaeten.de Kunst Messe München – Fine Art & Antiques 18.10.2012 - 28.10.2012 Postpalast Wredestrasse 10 80335 München www.kunstmesse-muenchen.com
Mehr Texte von Stefan Kobel

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