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Frieze Masters: Meister im ersten Jahr

Die Frieze kann es doch. Nach einer eher lauwarmen Premiere im Mai in New York hat die Londoner Frieze mit der Frieze Masters einen gelungenen Neuling im Regents Park platziert. Das von vielen im Vorfeld skeptisch aufgenommene Konzept einer parallel zur eigenen Zeitgenossen-Messe stattfindenden Verkaufsschau für Kunst aus zweitausend Jahren geht auf - zumindest ästhetisch. Wo die junge Mutter poppig, aufgeregt und unübersichtlich erscheint, gibt sich die alte Tochter gediegen, übersichtlich und edel. Ebenso setzt sich Meistermesse von anderen Kunst- und Antiquitätenmessen ab, die überwiegend immer noch ein Erscheinungsbild dunkelgruftiger Heiliger Hallen pflegen. Das ganz in Grautönen gehaltene Layout, das prompt zu augenzwinkernden Anspielungen auf aktuelle Mutti-Pornografie führte, schafft in Verbindung mit dem gedämpften Tageslicht in den ungewohnt breiten Gängen ein Ambiente von gelöster Gediegenheit, das von Besuchern und Ausstellern gleichermaßen goutiert wird. Ein weiteres - und vielleicht viel entscheidenderes Novum - ist die Beschränkung auf Bildende Kunst. Keine Möbel, kein glitzernder Schnickschnack, keine Lampen. Mit diesem Konzept, und natürlich mit dem Glanz der Marke Frieze, macht der Neuling anderen Messen gewaltig Druck. Bacarelli und Botticelli aus Florenz etwa haben im Sommer an der Londoner Masterpiece teilgenommen, die demnächst wohl einige Schwierigkeiten bei der Akquise haben wird. Die Italiener haben ausschließlich italienische Ware dabei, hauptsächlich aus der Renaissance; so auch ein Marmorrelief des Maestro di Pio II zu 500.000 Euro. Der Clou ihres Standes ist der Verzicht auf Podeste, Sockel und Säulen, auf denen Alte Kunst sonst präsentiert wird. Die Objekte stehen einfach auf den Transportkisten. Der Effekt ist phänomenal modern. Substantielle Verkäufe konnten sie am Ende des zweiten Tags allerdings noch nicht vermelden. So geht es vielen Ausstellern, obwohl die Besucherqualität des sehr exklusiven Soft Openings am Dienstag als "sehr beeindruckend" (David Nolan, New York, Moderne und Zeitgenossen auf Papier) empfunden wurde. Auch Anna Pryer vom einheimischen Bluechip-Händler Faggionato Fine Arts, die in den Vorjahren am Pavillon of Arts and Design teilgenommen hat, ist sehr angetan von den Besuchern, die sie als kenntnisreicher empfindet. Die kleine Gruppe mit Fotos, Zeichnungen und Collagen, die Gerhard Richter 1966 für seinen damaligen Komplizen Sigmar Polke zusammengestellt hat, ist auch tatsächlich eher etwas für passionierte Enthusiasten. Paul Schönewald aus Düsseldorf, der sich wie in Maastricht einen Stand mit Anthon Meier aus New York teilt, setzt hingegen mehr auf gängige Hochkaräter, wie eine große Spirale von Günther Uecker zu 575.000 Euro. Mit kritischem Blick über den Ärmelkanal urteilt er: "Das hier hat Zukunft und das hier ist die Zukunft" - auch wenn er bisher nur kleinere Verkäufe verbuchen konnte. In die gleich Kerbe schlägt Barbara Thumm, die im kuratierten Spotlight-Bereich eine eine Einzelpräsentation der peruanischen Künstlerin Teresa Burga (Preise zwischen 40.000 und 80.000 Euro) zeigt: " Ich habe so tolle Sachen hier gesehen." Und sie setzt hinzu: "Ich komme gerne wieder, wenn man mich nochmal einlädt." Prominent besetzt ist das Altmeistersegment, viele Namen kennt man aus Maastricht. Das Angebot ist allerdings nicht ganz so hochpreisig, wenngleich auch hier Millionenbeträge ausgegeben werden können. Genaue Preise erfährt man in dieser gewohnt geheimniskrämerischen Sparte jedoch selten. So möchte man bei de Jonckhere aus Paris keine Angaben zu der aufgerufenen Summe für Lucas Cranach d.Ä. Portrait des Königs Christian II. von Dänemark machen, weil man sich bereits in Verhandlungen um das Werk befinde, das schon auf der Biennale des Antiquaires in Paris zu sehen war. Ähnlich verschwiegen ist man bei Stair Sainty aus London, wenn es um einen männlichen Akt (mit schicklicher Lendendrapierung) von Theodore Gericault geht, eine echte Rarität auf dem Kunstmarkt. Sehr deutlich über eine Million Pfund, lautet die diskrete Auskunft. Mitteilsamer ist Galeriedirektorin Mercier Finder, wenn es um ihren Eindruck von der Messe geht. Sie bestätigt den Messemachern, einen guten Job gemacht zu haben. Es sei sehr schwer, US-amerikanische Sammler und Museumsgruppen Alter Kunst zu neuen Events zu locken, da sie sehr spezifisch sammelten und kaum für etwas anderes interessierten. Der große Vorteil der Frieze Masters ist, dass die Veranstalter ausschließlich den Erfolg der Messe im Blick haben und nicht auf verbandsinterne oder lokalpolitische Befindlichkeiten Rücksicht nehmen muss. Und das zahlt sich aus. Daher nimmt der kalifornischstämmige Ozeanien-Spezialist Anthony Meyer hier teil und nicht in seiner Heimatstadt Paris. Auf die Frage, ob der Neuling der dortigen Messe schaden könne, findet die eindeutige Antwort: "Die Biennale schadet sich selbst. Frieze Masters schadet auch Maastricht nicht. Ich habe treue Kunden, die hierher fliegen und noch nie in Maastricht waren. Diesen Leuten muss man nur verständlich machen, was für außergewöhnliche Gelegenheiten die beiden Veranstaltungen darstellen." Das ist wohl das Erstaunlichste an diesem außergewöhnlichen Messeneuling im Zelt im Regent`s Park rechts neben dem Zoo. Es scheint den Machern tatsächlich gelungen zu sein, Sammler aus Welt – möglicherweise mit Zweit- oder Drittwohnsitz in London – zu aktivieren, die bisher noch nicht auf den einschlägigen Messen unterwergs waren. Jetzt müssen nur noch die Umsätze stimmen. Doch da sind zumindest für die Zukunft eigentlich alle zuversichtlich.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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Frieze Masters
11 - 14.10.2012

Regent`s Park
London, Parkway/Outer Circle
http://friezemasters.com
Öffnungszeiten: 12-19, So 12-18 h


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