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Steinchen für das Kunstpuzzle: Ausstellungshonorare in New York

Von der New Yorker Initiative W.A.G.E (Working Artists and the Greater Economy) (1) war hier bereits vor einiger Zeit die Rede. Während die Debatte um Künstler_inneneinkommen im Moment von Ideen dominiert scheint, die bei der indirekten oder freien Nutzung von künstlerischen Inhalten ansetzen, wie etwa die Festplattenabgabe, konzentriert sich W.A.G.E. seit den ersten Aktionen auf die naheliegendste Einkommensmöglichkeit, nämlich auf die Forderung von Künstler_innen und anderen Kulturschaffenden für ihre Arbeit honoriert zu werden. Nun könnte – etwa von Galerienseite – eingewendet werden, dass doch Ankäufe die viel direktere Art von monetärer Kompensation wären, doch geht der Einwand nach mittlerweile einigen Jahrzehnten von ortsspezifischen, performativen oder rein konzeptuellen Praktiken ins Leere, wenn Ausstellungsbeteiligungen keine – oder keine über die Ausstellung hinaus marktfähigen – Objekte mit sich bringen. Doch auch für das «reine» Ausstellen von existierenden Werken wäre die Forderung nach Honorierung nicht völlig unangemessen, so etwa wenn die Wertschöpfungseffekte für die Veranstalter – wie etwa bei hohen Agenturvergütungen im Eventbereich – besser abgesichert wären, als für die teilnehmenden Kulturschaffenden. Gerade in Abgrenzung zum Marktgeschehen adressiert W.A.G.E. daher auch sehr spezifisch die zahlreichen Institutionen der Stadt vom M.O.M.A. bis zum Artists Space, mit dem die Gruppe auch eine Partnerschaft verbindet. Apropos «Kulturschaffende»: Um der üblichen Verengung dieser Debatte auf Künstler_innen zuvor zu kommen, verwendet W.A.G.E oft die Formulierung «Artists and other Cultural Producers» und unterstreicht damit auch ein Solidarpotenzial, das der Debatte bisweilen fehlt. Dieser Umstand kann nicht deutlich genug betont werden, insbesondere, weil das ökonomisch-unternehmerische Paradigma künstlerischer Berufe – hoher Input bei ungesichertem «Return» – mittlerweile zum spekulativen Modell einer ganzen Generation von «Wissensarbeiter_innen» geworden ist. Zwar setzt auch W.A.G.E. bei der Beobachtung an, dass alle Dienstleistungen im Ausstellungswesen honoriert wären, nur die Beteiligung von Künstler_innen nicht, doch sollte vorausgeschickt werden, dass in New York weit größere Teile der Kunstökonomie vom Modell «no pay but credit» (wahlweise: «no pay but experience» oder «no pay but fun») umfasst sind, wie nahezu der gesamte Off-Off-Theaterbereich und der größere Teil des jüngeren Independent-Filmschaffens. Doch gerade weil dieser Umstand so offenkundig ist – die Lektüre einschlägiger Jobangebote im Branchenblatt «Backstage» reicht für diese Erkenntnis – erachtete es W.A.G.E. für notwendig, die eigenen Forderungen für den Bereich bildender Kunst auf eine solidere Faktenbasis zu stellen. Seit Herbst 2011 wurde daher eine Umfrage durchgeführt, deren Ergebnisse nun international bekannt gemacht wurden. Um sich nicht zu sehr in Abgrenzungen zu verlieren, stellte W.A.G.E. eine einfache Frage an bildende und darstellende Künstler_innen, die zwischen 2005 und 2010 an Ausstellungen in Non-Profit-Organisationen in New York beteiligt waren: «Haben Sie für Ihre Ausstellungsbeteiligung irgendeine Form von Bezahlung, Aufwandsersatz oder Rückerstattung, inklusive der Übernahme von Kosten, erhalten». Bereits die Einstiegsfrage teilte Szene der Befragten (977 Teilnehmer_innen) in zwei Großgruppen: 58,4% der Befragten gaben an, keine der genannten Zahlungen erhalten zu haben. Die Differenzierung der Ergebnisse nach Institutionen führte unter anderem zum Ergebnis, dass sich unter den Top-4 derer, die oft etwas bezahlten, gleich drei Programme fanden, die sich skulpturaler oder ortsspezifischer Praxis widmen (Sculpture Center, Creative Time, Socrates Sculpture Park). Gerade in der Differenzierung nach Institutionen und in der grafischen Darstellung der Ergebnisse erweisen sich W.A.G.E. als gewiefte Lobbyisten. Das im Überblick sichtbar gemachte Gefälle ermöglicht nicht nur einen Branchenüberblick der etwas anderen Art, sondern ermöglicht auch Nachfragen von jenen Unbezahlten, die aus dem Überblick erkennen können, dass in den meisten Institutionen fallweise doch etwas an manche bezahlt wird, jedoch in den wenigsten Fällen etwas an alle. So erhielten etwa im M.O.M.A. lt. Umfrage exakt 50% der Respondenten irgendeine Form von Kompensation – während dies im Metropolitan Museum of Art nur für 14,3 % der Fall war. Einzig die Galerie in der ehrwürdigen «Kitchen» brachte es auf eine 100%ige Bezahlquote, was jedoch auch durch statistische Ausreißer erklärbar wäre, wenn etwa nur eine Person aus den Befragten dort bezahlt ausgestellt hätte. Dennoch bringt das veröffentlichte Ranking W.A.G.E. einen Schritt näher an das erklärte Ziel, durch einen Bewertungsprozess zu einer Art «Gütesiegel» für Kunstinstitutionen zu kommen. Eine weitere Differenzierung der Umfrage betraf die Höhe von Honoraren nach Segmenten, an der auffiel, dass im Teilbereich «Performance, Lecture or Screening», den vielen Unbezahlten (26%) immerhin 29% gegenüberstanden, die 5.000 Dollar oder mehr bekamen, während der Bereich «Exhibitions» das bekanntere Bild der Pyramide ( 24,8 % unbezahlt gegenüber 1,6% über 5.000 Dollar) zeigte. (2) Nun sollte betont werden, dass die Umfrage als Stichprobe zu verstehen ist, da die Ergebnisse nicht empirisch hochgerechnet bzw. bereinigt wurden. Doch sie liefert in jenem institutionellen Bereich Einblicke, dessen «Backstage» selten Gegenstand öffentlicher Erörterung ist, und der gemeinhin dem kollegialen Tratsch vorbehalten bleibt. Hinter den statistisch ausgefeilteren Aussagen zur Sozialsituation von Kulturschaffenden, wie etwa für Österreich durch die BMUKK-Studie (3), und den zahlreichen Förder- und Finanzierungsanalysen bleiben die täglichen «Dealings» von Künstler_innen mit ihren institutionellen Gegenübern weiterhin etwas im Schatten. Das downloadbare Poster mit den W.A.G.E. Ergebnissen lüftet mit einem Zitateteil auch hierzu etwas den Schleier, und vieles klingt vom Caféhaustisch her vertraut, etwa, wenn ein Teilnehmer beklagt: «Ich habe hart für mein 150-Dollar-Honorar gekämpft, doch habe ich es noch nicht bekommen. Eine Einladung für die VIP Eröffnung gab es auch nicht.» Gerade wenn man tendenziell dem Verhandeln den Vorzug gegenüber dem Verordnen gibt, ist jede geteilte Information wertvoll. Bei allen Lücken liefert die W.A.G.E. Umfrage weitere wertvolle Steine zur Vervollständigung des großen Kunstbetriebspuzzle und zugleich Stoff für ihren wichtigsten praktischen Tipp: «Negotiate before you participate!» -- (1) www.wageforwork.com (2) Prozentangaben jeweils für «Small to Medium Insitutions» (3) www.bmukk.gv.at/kunst/bm/studie_soz_lage_kuenstler.xml
Mehr Texte von Martin Fritz

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