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Franz Erhard Walther. Raum durch Handlung: Handeln sie doch!

Die Sache wäre nie einfach gewesen, meinte Franz Erhard Walther einmal in einem Interview, „Da, wo die „Werksätze“ ausgestellt sind, kann Handlung nur unter Aufsicht stattfinden. Es haben die Besucher oft auch zu wenig Kenntnis hinsichtlich der Handhabung der Werkstücke“. Das ist diesmal nicht das Problem. Nebst der obligatorischen Aufsicht zeigt eine Projektion diverse Mitarbeiter des Hauses bei der Nutzung der am Boden präsentierten metallenen „Schreitsockel“ und „Standstellen“ -Arbeiten, allesamt zum 2. Werksatz (1973-78) des Künstlers gehörig. Ob deshalb jemand die Aufforderung zur Partizipation und somit auch Werkbildung annimmt, sei dahingestellt, dennoch leistet die Ausstellung „Franz Erhard Walther. Raum durch Handlung“ einmal mehr einen wichtigen Beitrag zu einer Neubewertung eines der einflussreichsten Künstler und Lehrer seiner Generation, nicht nur in Deutschland. John Bock, Jonathan Meese, Christian Janikowski, Santiago Sierra, auch Rebecca Horn und Martin Kippenberger zählten an der Hochschule der bildenden Künste in Hamburg zu seinen Schülern, mit seinen Überlegungen zu einer Erweiterung des Skulpturbegriffs blieb auch andernorts nicht folgenlos. So führt die im ZKM gezeigte Fotoserie „Versuch eine Skulptur zu sein“ aus dem Jahre 1958 beispielsweise in aller konzeptionellen Distanziertheit vor, was bei Erwin Wurm Jahrzehnte später bis zum kalauerhaften Gassenhauer strapaziert wird. Walthers „Körperformen“ von 1963 hingegen, finden – bei aller Hochachtung vor dem Œuvre des kürzlich verstorbenen Franz West – ihre Pendants in dessen 11 Jahre später formulierten Passstücken. „Über allem steht die Frage nach dem nicht nur rezeptiven Verhalten des Betrachters“, notiert Franz Erhard Walther im Februar 1964 in sein Tagebuch. Die Idee wäre „...der aktive Gebrauch dieser Instrumente und nicht nur deren formalästethischer Genuss“. Fünf Jahre später wird der Künstler die Arbeit an seinem 1. Werksatz, bestehend aus 58 benutzbaren Textilobjekten, beendet haben. Die Materialien, Formen, waren für Walther stets bedeutungsfrei, Bedeutung wird in seinen Arbeiten erst durch die Handlung aufgebaut. Es ist der selbstverantwortliche Rezipient, der aktiv an der Werkbildung teil hat. Die einzelnen Objekte des 1. Werksatzes beispielsweise können aufgefaltet werden, je nachdem kann man in sie hinein schlüpfen, sie überstülpen, in und auf ihnen liegen, stehen, gehen, sie mit der Stirne berühren, sie wie eine Tasche tragen oder deren Inhalt arrangieren. Ein Jahr vor Beendigung des 1.Werksatzes, Walther lebte damals in New York, erschien gleichsam als selbstreflexive Dokumentation und Anleitung einer entsprechenden Verwendung die erste Publikation „OBJEKTE benutzen“, herausgegeben von Kaspar König, der dem Kompendium eine kurze Notiz voranstellt: „Die Diagramme stellen das subjektive Erlebnis F.E.Walthers bei der Benutzung seiner Objekte dar. Sie sind sekundär und erheben keinen Anspruch auf Verbindlichkeit. Kritik in Form selbstständiger Betrachtung wird herausgefordert – die leeren Seiten bieten dem Leser die Möglichkeit, sein Erlebnis bei dem Benutzten der Objekte aufzuzeichnen.“ Dem längst vergriffenen Druckwerk im Zuge der Ausstellung eine aktualisierten Neuauflage angedeihen zu lassen, darf als besonderer Coup gewertet werden.
Mehr Texte von Daniela Gregori

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Franz Erhard Walther. Raum durch Handlung
26.05 - 09.09.2012

ZKM - Zentrum für Kunst und Medientechnologie
76135 Karlsruhe, Lorenzstraße 19
Tel: +49-721-8100-0
Email: info@zkm.de
http://www.zkm.de
Öffnungszeiten: Mi - Fr, 10-18 Uhr | Sa - So, 11-18 Uhr


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