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Tony Oursler - Cumuliform: Bevor der Tag kommt

Während in Aarhus in Dänemark seine bekannten Gesichts- und Körperprojektionen auf Stoffdummies gezeigt werden (ARoS Aarhus Kunstmuseum, bis 29. Juli 2012), sind in Wien selten ausgestellte Arbeiten auf Papier aus den letzten fünfzehn Jahren zu sehen. Silvia Steinek kaufte sie über mehrere Jahre hinweg an. Sie werden in ihrer Gesamtheit zum ersten Mal in Österreich präsentiert. Betrachtet man die Papierarbeiten, so gleicht das Papier der Oberfläche des menschlichen Bewusstseins. Wie aus den Untiefen des Seins tauchen hier vor malerischem mehrfarbigen Grund Figuren auf, die sich in stummen Schreien zu artikulieren versuchen. In Wirklichkeit sind die „Zeichnungen“ oftmals Collagen, aufgeklebte fotografierte menschliche Körper krabbeln hier in verzweifelten Posen oder versuchen hinter Gitterstäben zu entkommen. Die Flucht aus dem Farbenmeer ist schier unmöglich. Oursler, der sich mit philosophischen Begriffen von der Antike bis heute beschäftigt, interpretiert in seinem zeichnerischen Oeuvre seine Übersetzungen dieser Begriffe ins einundzwanzigste Jahrhundert. Zugleich gibt er in seinen Zeichnungen auch die Auswüchse von Fantasien, wie die von Waldgeistern eines August Strindberg, also des 19. Jahrhunderts, wieder. Oursler interessiert besonders das Gesicht und seine Expressivität. Es reizt ihn das Zusammenspiel von Muskeln während des Mienenspiels. In einer Art Glossar setzt er sich mit Fragen wie dem „Lächeln der Augen“ auseinander, wobei er dabei auf die kleinen elektrischen Schocks von Jacque Charcot anspielt, der um 1855 im Hospital Salpetrière in Paris seine Versuche durchführte. Charcot, der als erster Neurologe gilt, unterrichtete auch Sigmund Freud, der sein Leben lang von dieser Pariser Zeit zehrte. Von Überlegungen zur Psychoanalyse ist in Ourslers Arbeiten sehr viel zu entdecken. Seine Figuren scheinen kaum selbstbestimmt sondern schweben ohne hierarchische Gliederung durch das Farbenmeer. Es gibt kein oben und unten, auch kein vorne und hinten oder übereinander. Alles ist nebeneinander und ziemlich gleichwertig gesetzt. Theatralische Akzente beleben seine Figuren. Es ist eine kleine Performance in Farbe und Stift, die uns Oursler hier zeigt. Mit der Form der Zeichnung gestaltet er ein kleineres Format, das ein wichtiges Experimentierfeld für großräumige Überlegungen darstellt. Es ermöglicht Versuchsanordnungen, wie man sie auch Hand der Zeichnung Slimewikiballs von 2009 sieht, die mit der Abbildung von grünem Schleim auf die Versuchsanordnung LOCK im Kunsthaus Bregenz 2009 anspielt. Alles im allem ist die Präsentation der Zeichnungen von Oursler eine geglückte Schau. Die Vorstellung des künstlerischen Mikrokosmos ist erkenntnisreich, denn es lassen sich Ourslers Projektionen und Installationen im Großen gut daraus ablesen.
Mehr Texte von Susanne Rohringer

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Tony Oursler - Cumuliform
11.05 - 27.07.2012

Galerie Steinek
1010 Wien, Eschenbachgasse 4
Tel: +431/512 87 59, Fax: +431/512 87 59
Email: galerie@steinek.at
http://www.galerie.steinek.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 13-18h
Sa: 11-15h


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