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Clegg & Guttmann - Portraits and Other Cognitive Exercises 2001–2012: Wissen und Macht

Der in Dublin geborene Michael Clegg und der in Jerusalem in den 50er Jahren geborene Martin Guttmann sind auf vielen Plätzen der Welt zu Hause. Sie haben derzeit eine gemeinsame Professur an der Universität für Angewandte Kunst und in Kürze wird eine ihrer Skulpturen am Wiener Graben aufgestellt. Die Ausstellung in den Bawag-Räumen trägt den etwas sperrigen Titel „Portraits and Other Cognitive Exercises 2001-2012“ und zeigt vornehmlich großformatige Porträtfotografie, die beide berühmt machte. Neben diesen bis in die 80er Jahre zurückreichenden Arbeiten kommen hier auch Skulpturen zur Ansicht, die das Thema Bibliothek und kollektives Wissen verhandeln. Die Ausstellung ist ein ausgewählter Rückblick der Künstler auf ihr Werk. Im Zentrum der Schau stehen Porträtfotografien, wie etwa die zweite Version des „Board of Directors“ von 2007. Hier sind drei Männer im Alter von fünfzig bis sechzig Jahren in einem abgedunkelten Raum zu sehen, der nur von kleinen Fensterausschnitten, die eine Skyline – wahrscheinlich London – zeigen, unterbrochen ist. Die handelnden Personen in diesem Bild erwecken den Eindruck von Macht, Geld, Seriosität und Distanz. Clegg & Guttmann begannen mit dieser Art der Darstellung in den 80er Jahren, als in den USA Ronald Reagan Präsident wurde und die Wirtschaft vermehrt die Politik gestaltete. Es war die Zeit, in der Künstler begannen, Macht und Einfluss zu thematisieren und zu kritisieren, und Clegg & Guttmann illustrierten diese gesellschaftlichen Phänomene mit ihren künstlerischen Mitteln, wie in der Fotografie „Marriage Contract“ von 1986. Da ist ein junges Paar um die dreißig zu sehen, der Mann, ein belgischer Diamantenhändler, hält seine Frau an der Hand. Vorbild für diese Art der Darstellung war ein deutscher Stich aus dem 18. Jahrhundert, auf dem ein alter Mann nach der Brust einer jungen Frau greift, die ihrerseits in einer Tasche mit Goldmünzen wühlt. „Ungleiches Paar“ betitelt, diente er Clegg & Guttmann als Anregung. Wie sehr künstlerische Vorbilder sowohl in Inhalt als auch im Stil für das Künstlerpaar eine Rolle spielen, kann man bei genauerer Betrachtung ihrer Fotografie entdecken. Es sind dies vor allem die niederländische Kunst des 17. Jahrhunderts, die den erstarkten Bürger ins Zentrum ihrer Darstellung rückte, sowie die Chiaroscuro-Malerei der italienischen Spätrenaissance, die mit ihren Schlaglichtern starke Hell- Dunkel Akzente erzeugt und damit die Porträtierten ins rechte Licht setzte. Clegg & Guttmann arbeiteten in dieser Werkphase sowohl mit Auftraggebern als Modelle, als auch mit Schauspielern und Laiendarstellern zusammen. Manchmal verwenden sie Posen, die an Tizians Papst Paul Farnese erinnern und die Künstlerkollegen interpretieren: („Untitled Portrait of an Artist“, 2010). Auch Martin Kippenberger stand für Sie Pose. Der Ausstellungskatalog ist dem 2006 verstorbenen Schauspieler und langjährigen Freund Bill Rice gewidmet, der durch seine Darstellung in „Coffee & Cigarettes“ von Jim Jarmusch berühmt wurde und Clegg & Guttmann immer wieder sein knittriges Gesicht „lieh“. Zum Schluß sei hier nochmals auf die Thematik der „Bibliothek“ verwiesen. Betritt man den Ausstellungsraum, so ist linker Hand die Arbeit „Falsa Prospettiva“ von 2001 zu sehen. Dabei handelt es sich um zwölf Sperrholzboxen, die mit Fotografien von Bücherwänden überzogen sind und so aufgestellt sind, dasss man glaubt eine umfassende Bibliothek vor sich zu haben. Je zwei Kästen nebeneinander– bilden einen Gang von zwölf Bücherkästen. Man hat den Eindruck, hier stünden jeweils sechs Regale, die sich, in Lebensgröße beginnend, der Perspektive entsprechend nach hinten verkleinern. Geht man die Skulptur entlang, entdeckt man, dass diese „Bibliothek“ kleiner als gedacht ist und vor allem, dass sie ein Trompe l`oeil, eine Illusion, darstellt. Auch andere Bücherkästen, wie die Skulptur „Sha´at´nez“ von 2004, die auf Sigmund Freuds Büchersammlung anspielt und das psychoanalytische Problem der „Verschiebung“ thematisiert sowie auf Freud`s Vertreibung verweist, ist zu sehen. Auch die „Moebius Library“ von 2004, die erstmals in der Stiftbibliothek von Melk beim Symposium Waldzell gezeigt wurde, stellt Bawag Contemporary in seinen Räumen am Kai aus.
Mehr Texte von Susanne Rohringer

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Clegg & Guttmann - Portraits and Other Cognitive Exercises 2001–2012
12.04 - 10.06.2012

BAWAG P.S.K. Contemporary
1010 Wien, Franz Josefs Kai 3
http://www.bawagpskcontemporary.at
Öffnungszeiten: täglich 14-20h


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