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Klimt Persönlich: Briefe, Bilder, Einblicke: What about Klimt?

1897 – Klimt ist 35 Jahre alt, arriviert, längst mit dem Goldenen Verdienstkreuz durch Kaisers Franz Josef I. ausgezeichnet, mit Staatsaufträgen betraut (Fakultätsbilder) und nun erster Präsident der Wiener Secession, die er selbst mitinitiiert hat. – Am 14. 4. 1897 beginnt der Nachrichtenfluss an „Ihr Wolgeboren Fräulein Emilie Flöge“. An die 400 Postkarten und Briefe aus Gustav Klimts Feder an Emilie Flöge bilden (bis auf einzelne Ausnahmen) den Kronschatz der Ausstellung Klimt persönlich. Welche Aura umgibt diese Schriftstücke, welche Erwartungen an Aufschlussreichtum setzt man unwillkürlich in sie? Immerhin geht es um die private Korrespondenz zwischen dem gefeierten und ebenso für seinen Bedarf an Modellen berühmt-berüchtigten Künstler und seine um zwölf Jahre jüngere Freundin, Muse, Geliebte(?), jedenfalls Schwester seiner Schwägerin, der führenden Modeschöpferin in Wien nach 1900. Unvermittelt beginnt die Briefserie mit Klimts kurzfristiger Absage der gemeinsamen Französischstunde und der Bitte um Dispens (und das noch mehrmals). Erhaltener Brief Nr. 2 ist gewissermaßen der schillerndste und prickelndste, enthält er doch ein geflügelt-strahlendes Herz, das von München nach Wien zu Emilie voraus fliegt und einen „langen Kuß“, der sich als Linie quasi (semiotisch) hingebungsvoll hinschlängelt bis „Gustav“. Kurz und sachlich wiewohl freundlich formuliert sind sämtliche Einladungen zu Theaterabenden. Gern berichtet Klimt über sein körperliches Wohl- oder Nicht-Wohlbefinden, stets auch übers Wetter; er nimmt es wie ein Stimmungsbarometer wahr, beobachtet die Veränderungen in der Natur – und manches davon regt ihn zu seinen Bildern, etwa den Landschaften am Attersee, an. All dies lässt Klimt war ein Sinnenmensch, als Augenmensch, als Lebensmensch erscheinen – sowohl in der Wahl der Kartensujets sei es auf Reisen sei es aus Wien (etwa Kunstpostkarten der Wiener Werkstätten oder Ansichten aus dem Tiergarten) als auch durch die Beschreibungen dessen, was ihn bewegt. Psychologisch gesehen wirkt er eher empfindlich, bisweilen an sich selbst zweifelnd, depressiv - was wohl ein Grafologe aus dieser „Künstlerschrift“ herauslesen könnte?! Sprachlich ist er direkt, knapp, mit sympathisch-urigen Wienerischen Worteinsprengseln und sicher kein ausgeklügelter Schreiber und Reflektierer. Das sagt er ja auch von sich selbst: „Das gesprochene wie geschriebene Wort ist mir nicht geläufig, schon gar nicht dann, wenn ich mich über mich oder meine Arbeit etwas äußern soll. … Wer über mich – als Künstler, der allein beachtenswert ist – etwas wissen will, der soll meine Bilder aufmerksam betrachten und daraus erkennen suchen, was ich bin und was ich will.“ Wiewohl er diesem Statement vorausschickt: „Malen und Zeichnen kann ich. Das glaube ich selbst und auch einige Leute sagen, dass sie das glauben. Aber ich bin nicht sicher, ob es wahr ist…“ Die Auswahl der postalischen Nachrichten wurde unfreiwillig vorkuratiert, da nach Klimts Tod ein Gutteil der Post von „GUS“ (wie er sich bisweilen gern unterschrieb) an Emilie verbrannt wurde. War es eine gezielte Selektion? Welche Seiten sollten nicht erhalten bleiben? Dennoch dokumentieren die verbliebenen Schriftstücke kontinuierlich die zwanzig Jahre des gemeinsamen, dennoch getrennten Lebens. Klimt und Flöge wohnten nie zusammen; er bei seiner Mutter und zwei Schwestern, sie in einer eigenen Wohnung. Um seinem Mitteilungsdrang nachzukommen, zieht er die neu eingeführte, hocheffiziente Rohrpost dem Telefon bei weitem vor. Es gibt Tage, an denen er mehrere Karten schreibt. Unwillkürlich erinnert seine Art an die aktuelle Form des SMS-Schreibens – und konsequent weitergedacht, werden KunsthistorikerInnen noch einmal jammern, weil die SMS und Mails der heutigen KünstlerInnen nicht (lange genug) gespeichert werden… In der Ausstellung werden Bereiche aus Klimts Leben entlang der chronologisch gereihten Briefe und Karten vor Augen geführt: Originalwerke aller Schaffensperioden und Genres, Arbeitsgeräte wie der quadratische „Sucher“ und das Fernrohr wie er sie am Attersee verwendete, das mit Hoffmann-Möbeln bestückte Vorzimmer eines Ateliers (wohlgemerkt: nicht das Atelier, jener „sagenumwobene erotische hortus conclusus“ wie es Direktor und Kurator Tobias Natter bezeichnet), Portraitfotografien, Inspirationsquellen auf seinen Reisen – und sein inoffiziell-offizielles Familienleben. Zum Thema Geld wird man in beide Richtungen fündig, nämlich dass Klimt gut, äußerst gut verdiente, und doch sich in einem Brief beklagt: „…das Schuldeneintreiben – pfui Teufel! – die Reichen bis die Geld auslassen – ekelhaft“ bzw. „bei Behörden und Ministern „herumdrucken“ müssen um ein par „Netsch“ ergattern – genauso ekelhaft.“ Gestützt auf Nachrichten wie: „In Ravenna viel armseliges – die Mosaiken von unerhörter Pracht.“ oder „El Greco ist prachtvoll!“, oder der „Überzeugung, dass kein Gebiet menschlichen Lebens zu unbedeutend und gering ist, um künstlerischen Bestrebungen Raum zu bieten“ (Zitat aus der Rede zur Ausstellung 1908) wollen die Ausstellungsmacher gegen das Klischee antreten, Klimt habe schriftlich nichts Essentielles hinterlassen – dieses Kalkül geht nicht auf. Was nicht schmälert, dass eine Entdeckungsreise hinter die Kulissen eines als scheu bezeichneten Menschen geboten wird. Man könnte auch dazu stehen, dass eine private Korrespondenz weniger (kunst)historisches Interesse befriedigt als sie menschliche Seiten offenbart. Und wer angesichts des durchaus freizügigen Lebenswandels Klimts - im Juli 1899 kam sein erster Sohn Gustav Ucicka, im September gleichen Jahres sein zweiter Sohn Gustav Zimmermann zur Welt – in den erhaltenen Zeilen (paparazzoartig) mehr „zweckdienliche Hinweise“ erwartete, sei ganz im Sinne Klimts auf seine durchaus freizügigen Bilder zurückverwiesen.
Mehr Texte von Aurelia Jurtschitsch

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Klimt Persönlich: Briefe, Bilder, Einblicke
24.02 - 27.08.2012

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