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Arte Fiera First: Schlank und Stunk

Die Artefiera in Bologna steht unter Druck. Die einstige Leitmesse in Italien machte schon in den vergangenen Jahren keinen besonders guten Eindruck. Jetzt in der Krise ist sie deutlich angeschlagen. Zu groß, zu unbeweglich und zu provinziell verharrte sie bei über 200 Teilnehmern, von denen drei Viertel aus Italien selbst stammten. Internationale Galerien blieben dem Event zunehmend fern. Jetzt hat die Messe die Notbremse gezogen, wenn auch nicht ganz freiwillig. Auf 150 Galerien ist die Ausstellerzahl geschrumpft, davon nur noch 30 aus dem Ausland. "Im Moment der Krise muss man höhere Qualität zeigen und nicht um jeden Preis Fläche verkaufen", erklärt dazu die künstlerische Leiterin Silvia Evangelisti. "Man muss den Sammlern Werke anbieten, von denen sie das Gefühl haben, dass sie sie sonst nicht mehr bekommen. Daher haben wir uns entschlossen, das Teilnehmerfeld zu verkleinern", erzählt sie. Dabei habe sie von anderen Messen gelernt: "Wir haben die Entwicklung von Köln sehr genau beobachtet. Das ist schließlich die älteste Kunstmesse der Welt. Danach kam Basel, dann Bologna." Ihr Fahrplan für die zukünftige Entwicklung: "Höhere Qualität, Besucherfreundlichkeit, eine italienische Messe machen, weil die zeitgenössische italienische Kunst in in Italien ansonsten kein Forum hat. Wichtige internationale Galeristen kommen hierher, um italienische Kunst zu kaufen, die man hinterher in Basel findet." Bologna sei keine trendy Messe und wolle das auch gar nicht sein. "Als ich angetreten bin, habe ich gesagt, Artefiera müsse in ihrem Umfeld verwurzelt sein und zeitgenössische Kunst zu angemessen Preisen anbieten. Damit ist man weniger krisenanfällig als hippe Messen. In Zukunft wollen wir die jetzige Größe beibehalten und das internationale Niveau anheben, mit auswärtigen Galerien, aber auch einheimischen, die mit internationalen Künstlern arbeiten." Dass genau da eines der Probleme liegt, sieht auch die Direktorin: "Es ist nicht zu leugnen, dass die internationale Beteiligung abgenommen hat. Aber weltweit werden alle Messen, bis auf vielleicht drei, immer regionaler." Das stimmt; die Lage in Bologna ist jedoch etwas vielschichtiger. Im Einzelfall mag es richtig sein, dass sich etwa die Galleria Massimo Minini aus Brecia in diesem Frühjahr auf den amerikanischen Markt konzentriert und zwischen Miami und Armory in Bologna keine substantielle Präsentationen mehr auf die Beine stellen kann. Doch ist dies kein Einzelfall. Mehrere in Italien verwurzelte Schwergewichte sind in diesem Jahr der Artefiera ferngeblieben, unter anderem Gio Marconi, Sperone Westwater und Grossetti aus Mailand. Letztere ist zwar in Bologna präsent, nicht aber auf der Messe. Bruno Grossetti hat einen großzügigen Raum in der Innenstadt angemietet, in dem er Positionen aus der über fünfzigjährigen Geschichte der Galerie zeigt. Dabei bleibe er der Messe nicht fern, weil er gegen sie sei, sondern im Gegenteil: Gerade, weil er für die Messe sei, habe er sich zu diesem Schritt entschlossen: "In einer so schwierigen Situation habe ich einen privaten Raum gesucht, der großzügiger und elitärer ist, weil die Messe es nicht zulässt, die Werke junger Künstler angemessen zu präsentieren." Seiner Meinung nach ist das Problem die kurzfristige ökonomische Ausrichtung der Messe. Denn anders als etwa in Turin oder Madrid, muss die Bologneser Kunstmesse Geld verdienen und ist damit ohnehin relativ teuer. "Das Kosten/Nutzen-Verhältnis stimmt auf der Messe zur Zeit nicht", erklärt er. "Die künstlerische Leitung hat immer funktioniert. Die kaufmännische Leitung ist dagegen unflexibel. Anstatt den Galerien entgegenzukommen, hat sie die Preise erhöht, wenn auch geringfügig." Zu seinem Verhältnis und dem seiner Kollegen zur Messe meint er: "Ich bin mir sicher, dass alle diese Galerien im nächsten Jahr bereit sein werden, gemeinsam mit der Messe ein neues Projekt zu starten." Bis dahin dürfte jedoch noch einiges passieren in Bologna. Unter anderem gehen Gerüchte, dass sich das Personalkarussel kräftig drehen könnte. Wenigstens ist die Artefiera nicht die einzige Kunstmesse mit Problemen in Italien. Die MiArt in Mailand kommt seit Jahren nicht auf die Beine, und die Artissima hat nach nicht einmal zwei Jahren ihren Direktor Francesco Manacorda verloren, der Turin eine internationale Avantgarde-Veranstaltung hinterlassen hat, bei der kaum jemand Geld verdient. Es könnte also wieder spannend werden in der italienischen Messelandschaft, wenn es einem oder mehreren Teilnehmern gelingen sollte, ein tragfähiges Konzept auf die Beine zu stellen.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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Arte Fiera First
27 - 30.01.2012

Arte Fiera Bologna
40100 Bologna, Quartiere Fieristico di Bologna
http://www.artefiera.bolognafiere.it
Öffnungszeiten: Do-Sa 10.30-20, So 10.30-19 Uhr


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