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WIKAM Wiener Internationale Kunst- und Antiquitätenmesse Palais Ferstel - Palais Niederösterreich: Anständige Ware

Man darf sich nur nicht abschrecken lassen von den Planetariern, jenen behäbigen Bronzen des Schweizers De Es Schwertberger, die zur Zeit das Atrium des Palais Niederösterreich belagern (zu haben um 15.000 Euro das Stück bei Szaal). Denn auch auf der aktuellen Wiener internationalen Kunst- und Antiquitätenmesse findet man dann doch Bemerkenswertes. Man muss eben Aufmerksamkeit und Ausdauer beweisen und sich durch allerhand Sammelsurium durcharbeiten, aber das ist ja nichts Neues auf der WIKAM und, wenn man es positiv formulieren will, auch ihr besonderer Reiz. Direkt an der Garderobe wird man dann auch sofort durch die schrillen Bilder der sich selbst vermarktenden Verena Auersperg-Rotterdam aus jeder Novembermüdigkeit gerissen um sich daraufhin auf die bewährte Qualität der Druckgraphiken bei Peter Kössl zu konzentrieren. Wie immer bietet der Händler aus Ried museale Güte zu erschwinglichen Preisen: Albrecht Dürers Kupferstich Maria von einem Engel bekrönt von 1520 zeichnet sich neben der Eigenschaft als begehrter sogenannter toniger Abzug durch seinen erstklassigen Erhaltungszustand aus und zeigt in der äußerst zurückhaltenden Darstellung des Krönungsrituals Dürers frühe Reflexion auf die erst drei Jahre zuvor angeschlagenen, aber rasch an Popularität gewinnenden Thesen Luthers. Für dieses Blatt verlangt Kössl 11.500 Euro, für Dürers Holzschnitt Samson tötet den Löwen 5.800 Euro, für Rembrandts feinsinnige Radierung Bettler und Bettlerin in Unterhaltung 4.800 Euro. Wenngleich in derselben Technik, so doch in schönem Kontrast dazu steht die in Hermann Nitschs Oeuvre ungewöhnliche, zeichnerisch überarbeitete Radierung mit der Grablegung Christi. Das großformatige Triptychon (um 33.000 Euro) hängt bei Gerhard Sommer (Kunst & Handel, Graz und Wien) neben anderen ausgesuchten Werken von Wiener Aktionisten. Da befindet sich die junge Künstlerin Christina Boula mit ihren Fotoarbeiten (ein Medium, das auf der WIKAM sonst so gut wie gar nicht vertretenen ist) in guter Gesellschaft. In der Gegenüberstellung mit dem Gemälde von Wolfgang Ernst (o.T., um 11.000 Euro) bilden ihre mit philosophischem Text überschriebenen Porträts verstorbener junger Frauen am Totenbett (Eidolon, um je 480 Euro) einen suggestiven Raum für sich. Das lässt einen dann auch so manches, leider unübersehbare künstlerische Epigonentum verkraften, das denn doch einige Messestände beherrscht. Aber Schwamm drüber, es findet sich schon was, wenngleich mitunter von mittelmäßiger Qualität, so doch unter arrivierten Namen, da kann doch nichts schief gehen: Arbeiten von Josef Dobrowsky, Alfred Zoff, Rudolf von Alt, Viktor Lederer, Max Weiler, Arik Brauer, Hans Staudacher, Markus Prachensky und wie die guten Meister halt so heißen. Bemerkenswert darunter ist jedenfalls zum Beispiel Franz Xaver Grubers Distelstillleben mit Mohnblumen und Schmetterlingen von 1854, großartig dramatisiert in gekonnter Lichtregie und reizvoll lebendig gestaltet im Detail (bei Szaal um 68.000 Euro). Soshana beweist im Gemälde Paris eine eigenständige weibliche Position in der Pariser Kunstszene Mitte des 20. Jhs. (ebenfalls bei Szaal um 19.000 Euro). Manfred Kopriva widmet seinen Stand zur Gänze den farbenfrohen Öl-Wachs-Sand-Gemälden Kurt Freundlingers (zwischen 2.600 und 7.000 Euro) und Figl erfreut mit der erfrischenden Darstellung Mädchen am Balkon von Leo Putz (um 95.000 Euro). Unter anderem wäre hier auch ein wunderbarer frühgotischer Corpus Christi in Lebensgröße um 155.000 Euro zu erwerben. Das Möbelangebot der WIKAM zeigt vor allem den Abwechslungsreichtum und die Höhe des Kunsthandwerks im 19. Jahrhundert: ein Paar strenge Biedermeier Fauteuils nach dem Entwurf von Josef Danhauser (bei Figl um 8.500 Euro), ein einladender englischer Dogchair für edle Vierbeiner (ebenda um 3.500 Euro) oder etwa ein Geweihstuhl, dessen Lehne und Beine zur Gänze aus Hirschgeweihen bestehen und dessen Sitzfläche mit einem Zebrafell bespannt ist (bei Dr. Seppmann aus Westfalen um 4.500 Euro). Den passenden Geweihleuchter aus dem späten Klassizismus (um 24.000 Euro) und diverse geschnitzte Becher aus Horn oder Elfenbein (um 3.800 Euro) mit adäquatem Motiv wie röhrenden Hirschen gäbe es auch gleich dazu. Daneben wird ein reichhaltiges Sortiment von Teppichen angeboten, das von der Antike bis zu jüngst entstandenen Wandstücken von Beate von Harten reicht (15.000 Euro). Der Schmuck zeigt einen Trend zum Art Deco, doch kann sich in Bezug auf Eleganz und schlichte Formreduktion die Antike durchaus mit den glitzernden Geschmeiden der letzten 200 Jahre messen. Mit einer goldenen Haarspange aus der Bronzezeit (1.400 v.C., um 6.000 Euro) oder einer bronzenen Torque, einem Halsschmuck aus dem 16. Jh. v.C. (um 6.000 Euro) ließe sich bei Socowi ein durchaus apartes Ensemble für die moderne Frau zusammenstellen. Die WIKAM präsentiert wie erwartet ihr übliches Potpourri, ein reichhaltiger Mix unterschiedlicher Qualität mit verstärkter Konzentration auf das 19. Jahrhundert und – man muss es zugeben - einem weitergehendem Rückzug der zeitgenössischen Kunst, also diesmal so konservativ wie noch nie. Man will wohl die Wiener nicht überfordern oder gar wieder ein Skandälchen provozieren. Keine toten Tiere und keine nackte Haut unterbrechen die Beschaulichkeit, alles hübsch und sittsam und meist an die Wand gehängt. Im altväterischen Palais Ferstel wie im ehemaligen niederösterreichischen Ständehaus halt „anständige“ Ware.
Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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WIKAM Wiener Internationale Kunst- und Antiquitätenmesse Palais Ferstel - Palais Niederösterreich
04 - 13.11.2011

WIKAM
1010 Wien, Palais Ferstel, Eingang Strauchgasse
Tel: +43 (1) 40 66 330, Fax: +43 (1) 402 88 35
Email: wikam@wikam.at
http://www.wikam.at


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