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Michel Majerus: If we are dead...

Er würde es genießen, meinte Michel Majerus einmal, in den 90ern Kunst zu machen, weil es jetzt erstmals möglich wäre, eine Arbeit zu verfolgen, die sich nicht zwanghaft zu lange auf einer Stelle aufhalten muss. Exakt dieses Jahrzehnt war ihm die Karriere als aufstrebender Künstler vergönnt, bis er 35-jährig 2002 bei einem Flugzeugabsturz in Luxemburg ums Leben kam. An der staatlichen Akademie in Stuttgart hatte Majerus 1992 sein Studium bei K.R.H.Sonderborg und Joseph Kosuth beendet. Exakt eine Dekade für ein Früh-, Haupt- und Spätwerk, und irgendwie scheint diese Rasanz auch entsprechend für ein Œuvre, das posthum ungleich öfter in Präsentationen gewürdigt wurde als zu Lebzeiten. Der umfassenden Schau wegen, der großen Formate wegen und möglicherweise auch der Geste wegen hat man das Kunstmuseum Stuttgart nun für die Dauer der Ausstellung einfach auf den Kopf gestellt. Man hat die Räume des Erd- und Untergeschosses, wo sich einst, vor dem Bau des Kunstmuseums, Skater in einer Unterführung tummelten, für die großformatigen Arbeiten freigeräumt, hat Platz geschaffen für additive Arrangements und weitläufige Blickachsen. Die ständige Sammlung der Moderne wird kurzerhand im darüber liegenden Kubus neu präsentiert, was ihr ganz nebenbei auch mal gut tut. Majerus indes erweist sich als gnadenloser Sampler, gleichsam als Pionier eines Verfahrens, das heute Gang und Gäbe ist. Er bedient sich des High der klassischen Kunstgeschichte und der Zeitgenossen, des Low der Jugend- und Alltagskultur. Dürer und Warhol treffen in immer größer werdenden Formaten mit Super Mario und den Schriftzügen einer farbigen Konsum- und Warenwelt zusammen. Im Schneller, Größer, Bunter war Michel Majerus im besten Sinne ein Kind seiner Zeit. Was davon übrig bleibt, wird sich erst in den nächsten zehn Jahren zeigen. Eine der spektakulärsten Arbeiten verwirklichte der Frühvollendete mit „if we are dead, so it is“ 2000 im Kölnischen Kunstverein. Eine gigantische Halfpipe, 42 Meter lang und 10 Meter breit, lud die einschlägige Szene damals zu den Öffnungszeiten zur Nutzung ein, 2004 wurde die Arbeit bei der Biennale von Sevilla nochmals rekonstruiert, ab 15. März dürfen die Kids nun am Stuttgarter Schlossplatz ran. Knapp zwei Wochen später sollen die Urteile im Prozess des Flugzeugunglücks vom 6. November 2002 verkündet werden. Der Vater des Künstlers sieht es indifferent. Das gäbe ihm seinen Sohn auch nicht wieder zurück.
Mehr Texte von Daniela Gregori

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Michel Majerus
26.09.2011 - 09.04.2012

Kunstmuseum Stuttgart
70173 Stuttgart, Kleiner Schlossplatz 1
Tel: +49 (0) 711 – 216 21 88, Fax: +49 (0) 711 – 216 78 20
Email: info@kunstmuseum-stuttgart.de
http://www.kunstmuseum-stuttgart.de
Öffnungszeiten: Di-So: 10-18 Uhr, Fr: 10-21 Uhr, Mo: geschlossen


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