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Kunst und Geld

Die documenta hat mit Leichtigkeit die Marge von 600.000 Besucern gemeistert. In Deutschland buhlt der dritte Weg um seine Wiederwahl, und in Österreich hat sich eine weiteres Mal gezeigt, dass freiheitlich nichts mit liberal zu tun hat. Im Museumsquartier ziehen die Jungen ein, die Kritischen und Unangepassten, und Waldner lässt sie gewähren. Aus gegebenem Anlass im folgenden einige Gedanken zum Jahrtausendthema Kunst und Geld. Kunst adaptiert nicht auf das Neue, sondern darauf, sich das Neue einzuverleiben. Sie adaptiert darauf, die Krassheit, die Eklatanz und das buchstäblich Ungewöhnliche an Neuheit zu bannen. Kunst ist ein Streichelzoo, eine Kuschelwiese, auf der man dem Fremden begegnet. Sie stellt, mit Niklas Luhmann, einen erfolgreichen Versuch dar, \"von der Gesellschaft erzwungene Lernprozesse zu verzögern\". Erfolgreich ist dieser Versuch, weil er den Mechanismus von ökonomischer und kognitiver Unterprivilegiertheit kappt. Ein Künstler, der jobben muss, weil er mit seiner Arbeit nichts oder kaum verdient, gilt dennoch nicht als Modernitätsverlierer. Kunst ist retardierend. Verzögerung gelingt ihr deswegen, weil sie Reste an Normativität mit sich trägt, weil sie auf einer Basis von Konventionen aufbaut, die der schieren, kapitalistischen Abfolge von Neuheiten entgegenwirken. Der Einflussbereich der Ökonomie wächst parallel mit dem Abbau von Konventionen. Kunst beharrt demgegenüber auf gewissen Konventionen; nur deswegen lässt sich mit dem Begriff und Phänomen Kunst, die ja nichts Wesenhaftes verkörpert, nach wie vor so etwas Konventionelles wie Prestige, Reputation, Autorität behaupten. Die Reste an Normativität sind also der Gewinn der Kunst und darin sind sie auch der Gewinn der Gesellschaft mit der Kunst. Der Markt, die Wirtschaft, die Ökonomie bekommen einen Human Touch. Das ist nicht im Sinn von Kompensation oder Bemäntelung gemeint und es gibt keine dunklen Machenschaften, die, per Verschwörung, die Kunst in dieser Funktion gewissermaßen klein hielten: Normativität ist schlichtweg die Raison d\Etre von Kunst, nachdem sie sich von den Künsten, das heißt von technischer Kompetenz, von Virtuosität und Meisterschaft emanzipiert hat. Es ist also überhaupt nicht nötig, sich so darzustellen, als würde und sollte man den Interessen der Ökonomie willfahren. Es geht genauso wenig darum, irgendwelchen Agenturen, Firmen, Trusts vorzuführen, wie gut man gegen sie arbeiten könnte, wenn man denn wollte. Die Rolle, die Funktion, der Sinn von Kunst liegt von vornherein darin, das, was ökonomisch angestellt wird und damit jenseits von Moral und Konvention liegt, abzufedern und die Rasanz der Veränderung wenn nicht zu mildern, so doch vermittelbar zu machen. Die Klügeren unter ihren Verächtern haben das immer schon verstanden.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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