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Julie Hayward - I Wanna Go Home: Rätselhafte Komik, humorvolle Logik

Julie Hayward stellt im Stift Ossiach aus. Umfangreich, charakteristisch und intensiv präsentiert die gelungene Auswahl die eigenwillige und kraftvolle Disposition der Künstlerin, die durchaus auch im internationalen Kontext Aufmerksamkeit beanspruchen könnte. I wanna go home ist Titel eines jüngeren Werks, der Ausstellung in Ossiach und bezeichnendes Grundmotiv in Julie Haywards Oeuvre. Es ist Ausdruck von elementarer Sehnsucht nach einem Ort der Geborgenheit, Illusion des Zusichfindens, das zugleich das Ungewisse und Fremde der eigenen seelischen Tiefen, zumal auch Abgründe impliziert. Der von divergenten Spannungen geprägte Gehalt des einzelnen Werks wird im Entstehungsprozess auch für Hayward selbst zunächst in den Zeichnungen offenbar, deren Formfindung sie in einem psychologischen Automatismus entwickelt. Es ist ein Prozess hoher Konzentration, in welchem sich die Künstlerin bewusst von ihrem Unterbewussten leiten lässt. Dieses Innenleben vereint emotionelle Erfahrungen wie Intellektualität in einer Intimität, die so wenig oder so viel fassbar ist wie das künstlerische Resultat in der Anschauung logisch auflösbar. Das ausgestellte dreidimensionale Objekt oder die Installation ist genau genommen skulptural manifestierte Zeichnung. Die zuletzt gewählten Titel eröffnen weitere Perspektiven der Betrachtung, pointieren einen ironischen Aspekt und brechen letztendlich den möglichen Pathos. Lebensnah und doch fremdartig utopisch präsentieren sich die Arbeiten. I wanna go home gleicht einer zurückgebliebenen Hülle, deren Innenleben entwichen ist, während sie selbst in einer eigenartigen schwarzen Pfütze festklebt. Andererseits erscheint das Objekt als eine futuristische Abschussrampe, einladend in den menschfassenden Maßen, doch zugleich bedrohlich, denn möglicherweise umkippend. Dieser Assoziationsraum erfährt durch den Aufstellungsort unter dem illusionistischen Deckenfresko eine zusätzliche ätherische Dimension. Mit rätselhafter Komik stellt sich das Motiv der schwarzen Pfütze in catch me if you can dar. Die ausrinnende Form ist verbal nicht genau definierbar, die schwarze Masse offensichtlich nicht kontrollierbar und möglicherweise amorphe Verlebendigung, unterstrichen durch die Außenhaut aus Kunstleder. Die materialimmanente Doppelbödigkeit des Kunstleders wird von Julie Hayward gezielt mit subversivem, bisweilen auch gruseligem Witz eingesetzt. Es erweitert die ohnehin komplexe unmittelbar präsente Metaphorik der zweiteiligen Installation big mama, die zwischen der Brutalität einer Kanone, einer Grabstätte, einem Schutzraum und zugleich einem gebärenden Moment oszilliert, und verleiht der Arbeit einen lasziven Touch - besonders der in eigenartiger Regelmäßigkeit vom Rohr hängende Vorhang gibt konnotativ Fetischcharakter. Raumgreifenden Humor strahlt SBKT190508 im Freien aus. Der als Meteorit betitelte Findling aus 4 Tonnen Marmor streckt, gleichsam animalisch beseelt, krakenartig seine Auswüchse aus flexiblen, industriell gefertigten Edelstahlrohren auf die Wiese, Steinmasse rinnt aus. Julie Haywards Werk reisst vielschichtige Assoziationen auf, in präziser Ästhetik, mit lustvoller Ironie, mit Spaß, der zugleich sehr ernsthaft ist. Die in ihrer eigenen psychologischen Befindlichkeit begründete Zwiespältigkeit und manchmal unbehagliche Divergenz des Gehalts findet eine Aussöhnung in der formalen Abstraktion des künstlerischen Ausdrucks. Mit dem Anstieg des Formalisierungsgrads nimmt der individuelle Aspekt ab und gewinnt eine generell gültige Bedeutungsebene an Qualität, zugleich entzieht sich diese im selben Maß der konkreten Logik und wird unbegreiflicher. Das Werk vermittelt eine eigenartige Synthese, die in der Betrachtung Irritation hervorruft. Zusätzlich wird diese Verunsicherung durch die mutige Größe der Form unterstützt. Die dadurch auch physisch spürbare Präsenz rückt das einzelne Exponat in seiner umfassenden Komplexität in eine unmittelbare Nähe, sodass die RezipientIn gezwungen ist, sich in die Auseinandersetzung mit dem objekthaften Gegenüber einzulassen - das unausweichlich und befremdlich ist, paradox wie die eigene Psyche.
Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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Julie Hayward - I Wanna Go Home
09.07 - 11.09.2011

Stift Ossiach
9570 Ossiach, Ossiach 1
http://www.skulpturenpark-stiftossiach.at/


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