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Eine Sauferei des Nebels

Die Wiener Kunstauktionen versteigern demnächst Teile der Sammlung des österreichischen Tabakmuseums. Politiker und selbsternannte \"Kulturschatzhüter\" akklamiern plötzlich den \"Ausverkauf der Kunst\" und zitieren das Bundesdenkmalamt herbei. Die Landung Christoph Columbus in Amerika 1492 bescherte der Alten Welt ein neues Genussmittel: den als \"Nebel\" bezeichneten Tabak. Ursprünglich als Heilmittel verwendet, trat der Tabak von Spanien über Frankreich und England seinen unaufhaltsamen Siegeszug an, bis man ihn Ende des 16. Jahrhunderts als Genussmittel entdeckte. Konsumiert wurde das getrocknete Nachtschattengewächs aus Tonpfeifen, ähnlich der Rauchgeräte der Indianer. Und während sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts die ersten Pfeifenzünfte in England und Holland etablierten, sprach man bei der neuen Sitte - noch hatte man keinen eigenen Ausdruck und sprach in Analogie zur Konsumation anderer Genussmittel - vom \"Tabak trinken\". Etwa 150 Jahre später beginnt die Geschichte des Österreichischen Tabakmuseums, das seit 2001 unter dem Namen Art Cult Center firmierendes kulturelle Zentrum des Austria Tabak Unternehmens. Anlässlich der Weltausstellung in Wien 1873 kaufte man Meerschaumprunkpfeifen an, feinst gearbeitete Artefakte aus dem legendenumwobenen, dem Speckstein verwandten Mineral. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts blieb das Sammeln auf die Initiative einiger Direktoren und Beamten der k. k. Österreichischen Tabakregie beschränkt. 1905 wurden dann sowohl räumliche als auch finanzielle Mittel locker gemacht, um gezielt eine tabakhistorische Sammlung aufzubauen. Ende der 70er Jahre begann man erstmals unter akuter Raumnot zu leiden, die wiederum Auslagerungen zur Folge hatte. Neben der Dokumentation der Geschichte des Unternehmens bot das Museum zuletzt eine Fülle an Exponaten - historische Literatur, Pfeifen, Schnupftabakdosen, Zigarren- und Zigarettenetuis, aber auch Bilddokumente - insgesamt aus mehr als zwei Jahrhunderten internationaler Tabakgeschichte. Vergangenes Jahr wurde der Staatsanteil (41,13 Prozent) der Austria Tabak AG (Eigentümer des Tabakmuseums) für 770 Millionen Euro verkauft. Was Finanzminister Karl-Heinz Grasser damals als \"Musterbeispiel einer Privatisierung\" bezeichnete, wird jetzt von Parteikollegen, den Wiener Freiheitlichen, als \"Akt tiefer Kulturlosigkeit\" beizeichnet. Bei dem knappen Drittel der Sammlung die am 22. und 23. Oktober bei den Wiener Kunstauktionen zur Versteigerung gelangt, handelt es sich laut den Einbringern ausschließlich um Depotbestände, also Doubletten und Objekte, die auch in besserer Qualität vorhanden seien. Mittlerweile wurde auch das Bundesdenkmalamt mobilisiert und die Leiterin Brigitte Faßbinder-Brückler zurate gezogen. Denn, geht es nach dem Wunsch der Gegner, sollte die gesamte Sammlung unter Denkmalschutz gestellt werden. Die endgültige Entscheidung wird das Bundesdenkmalamt nach Studium des diese Woche veröffentlichten Kataloges treffen. Die Experten der WKA und mit ihnen unzählige Insider vertreten einen konträren Standpunkt. \"Wie bei vielen anderen Sammlungen auch, drohte das Österreichische Tabakmuseum von einer Sammlung zu einer Ansammlung zu verkommen, drohte die Quantität die Qualität zu überwuchern\", merkt Otto Hans Ressler, Geschäftsführer der WKA jetzt in einer Stellungnahme an. Abgesehen von einem frischen Impuls für den Sammlermarkt, sollte auch für ehemals staatliche Sammlungen das Reglement seriös betriebener Sammlungspolitik zur Anwendung gelangen: \"Qualität, Lebendigkeit, öffentliche Auseinandersetzung, das sind die Kriterien, an denen alle Sammlungen, private wie öffentliche, gemessen werden. Und Qualität\", so Ressler, \"ist nur durch permanente Straffung möglich\" - in diesem Fall eben durch den Verkauf nicht relevanter Teile. Tabakmuseum: www.artcult.at Wiener Kunstauktionen: www.palais-kinsky.com
Mehr Texte von Olga Kronsteiner

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Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
alles verkaufen alles verleihen die künstler wehren sich ja eh nicht
ernst hilger | 13.09.2002 01:24 | antworten
wenn oh ressler den ich übrigens sonst sehr schätze davon spricht dass auch die staatlichen sammlungen gestrafft werden sollten und nicht relevantes verkauft werden sollte schließe ich daraus scharf und logisch wie ich nun mal bin : erstens was angeboten wird von tabakmueum ist nicht relevant und daher eher zweitklassig wenn das nicht stimmt , siehe liste, dann muss also gelten : jeder neue museumsdirektor verkauft einmal das was ihm nicht gefällt aus dem museum und kauft seine haberer ein die aber auch wissen dass sie dann der nächste direktor vielleicht wieder verkauft ob sie das freut glaub ich net na ja einstweilen kommt es nicht soweit, es ist ja schon schlimm genug dass künstler jetzt bei den sammlern mit billigdumpende öffentlichen Sammlungen konkorrenzieren müssen m, die ihre bilder nicht mehr öffentlich sondern dem bestzahlenden Sammler verleihen. künstler wehren sich anscheinend nicht aber wenn ich daran denke dass jede regierung von weniger staat in der Wirtschaft spricht und jetzt ausgerechnet den künstlern und ihren galerien subventionierte konkurrenz macht, geh mir die galle hoch. hertz und avis würden dem staat was husten aber mit kunst, die für öffentliche sammlungen angekauft oder gar geschenkt wurden kann man ja alles machen was man will.

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