Werbung
,

A Pranksy Film

Das Geheimnis bleibt natürlich auch in diesem Fall gewahrt. Und Banksy somit unerkannt. Stattdessen rückt der Graffiti- und Street Art-Star, der anfangs mit verschattetem Gesicht und elektronisch verzerrter Stimme in seinem Atelier sitzend den klassischen Erzähler gibt (dessen Text dann im Weiteren von dem Schauspieler Rhys Ifans gesprochen wird), eine andere Figur ins grelle Licht, inszeniert sie mithin regelrecht, mit all den Konsequenzen, die sich darob für die Authentizität und Identität derselben ergeben. Denn jener Thierry Guetta ist fraglos zu gut, um wahr zu sein: ein zu Beginn der achtziger Jahre in die Staaten ausgewanderter Franzose, der in Los Angeles ein Second Hand-Kleidungsgeschäft betreibt (womit er übrigens, in kaum zu übersehender Weise, bereits sein späteres Tun vorwegnimmt, indem er nämlich abgetragenen Sachen einen neuen Anstrich verpasst, sie, wie er spitzbübisch anmerkt, einfach als Designer-Stücke deklariert und so im Handumdrehen „mit 50 Dollar-Sachen auch schon mal 5.000 Dollar verdient“), um dann von dem ebenso obsessiven wie sonderbaren – aber unseren Zwecken eben sehr dienlichen – Zwang befallen zu werden, sein gesamtes Leben mit der Videokamera aufzuzeichnen. Wie es der Zufall will, läuft Guetta nun eines Tages auf Heimaturlaub in seinen Cousin Space Invader, der gerade dabei ist, nämliche Figuren allerorten anzubringen; Space Invader macht ihn sodann unter anderem mit Shepard Fairey bekannt (jenem Shepard Fairey, der niemand Geringeren als Barack Obama letzthin zur Ikone stilisierte), der ihn wiederum, was schließlich unausbleiblich ist, mit Banksy, dem größten Fisch, zusammenführt. Und da Guetta nun mal fest mit seiner Kamera verwachsen ist, wird er naheliegenderweise dazu ausersehen, die doch ziemlich ephemeren Aktionen seiner Freunde zu dokumentieren, um daraus so etwas wie ein „Making of Street Art“ zu gestalten, ein Auftrag, den er aber grandios vermasselt, weil er, wie Banksy mit verzweifeltem Humor festhält, „vielleicht doch kein Filmemacher ist, sondern nur ein Typ mit psychischen Problemen, der eine Kamera hat“.

Nun übernimmt Banksy offiziell die Regie und montiert aus dem in Überfülle existierenden Bildmaterial gewissermaßen den vorliegenden Film (also die erste Hälfte desselben), während er Guetta in die Wüste, d.h. zurück nach Los Angeles schickt, versehen mit dem nur bedingt ernst gemeinten – und ob seiner diagnostizierten „Krankheit“ recht eigentlich ziemlich perfiden – Ratschlag, doch gleich selbst Künstler zu werden. Guetta beherzigt diesen Rat allerdings und macht sich flugs an die Arbeit: Er mutiert zu Mr. Brainwash und stampft eine Ausstellung aus dem Boden, die ein voller Erfolg wird, vor allem in finanzieller Hinsicht, und das, obwohl er offensichtlich völlig talentfrei ist und – wie bereits erwähnt – vorwiegend bloß Altbekanntes auffrischt. Aber dafür versteht er bestens die PR-Maschine zu bedienen, die die hypegläubigen Massen mobilisiert.

Der Irrsinn ist nun, dass diese „Life is beautiful“-Ausstellung tatsächlich im Sommer 2008 stattgefunden hat. Es ist also davon ausgehen, dass Banksy mittels der Marionette Mr. Brainwash (der Name ist Programm) dem Kunstbetrieb einen Spiegel vorhalten, ihn bis zur Kenntlichkeit seiner Oberflächlichkeit, Manipulierbarkeit und Käuflichkeit entstellen wollte; dass er zuerst Tatsachen geschaffen hat (Mr. Brainwash verantwortet ja zum Beispiel auch das Cover von Madonnas Best-of-Album „Celebration“), die er nun der Welt in Form dieser Prankumentary (von „prank“, Bubenstreich, einer Steigerungsform der schon bekannten Mockumentary) mehr oder weniger verbrämt mitteilt; dass er also die Kunst ins Leben (der Kunstwelt) hat übergehen lassen, um sie nun wieder als Kunst einzufangen. Es ist folglich ein phantastisches Vexierspiel, das Banksy hier in Szene gesetzt hat, fraglos ein großer, auch ziemlich spaßiger (An-)Wurf, doch möchte man sich diesem Spektakel trotzdem nicht völlig kritiklos ergeben: Dafür ist erstens der der Zeit der Unschuld gewidmete Chronikteil selbst viel zu oberflächlich ausgefallen (eine kontextlose Aneinanderreihung von Begegnungen, die dramaturgisch gleichsam der Kette der Street Art-Wesen nach oben folgt), und zweitens ist die von Banksy gewählte Rolle des Bewahrers der guten & wahren Street Art und des Anklägers ihres Ausverkaufs nicht ganz frei von Eitelkeit, Prätention und, ja, sogar etwas Heuchelei – bei jemandem, der auch schon den Gang in die Galerie angetreten hat. Um dann nicht von Madonna, sondern von Christina Aguilera gekauft zu werden.

--

Exit Through The Gift Shop. A Banksy Film
DVD, UK/USA 2010, 86 min.
€ 18,99 als Sammler-Edition mit deutscher Fassung
und Bonusmaterial

Trailer:

Mehr Texte von Peter Kunitzky

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Ihre Meinung

2 Postings in diesem Forum
das vexierspiel geht noch weiter
maurice s. | 07.03.2011 09:28 | antworten
was, wenn banksy wirklich nur eine erfindung von saatchi ist, wie eines der vielen gerüchte besagt? ist dann der vermeintliche spiegel, den banksy dem kunstmarkt vorhält nicht nur der noch viel genialere spiegel, den der kunstmarkt seinen kritikern vorhält?
Comment
SophieAnn | 17.08.2011 12:40 | antworten
I'm enormously encouraged by the buzz surrounding <a href="http://www.picktorrent.com/download/54/4927139/exit-through-the-gift-shop-%E2%80%93-a-banksy-film-2010/">Banksy</a> even though I wouldn't particularly want one of his works on the outside of my house. Personally, I have always suspected Banksy to be a collective, not an individual. If anything his work reminds me of that of the Protest Painters, mostly active in the fifties as a response to what they saw as US aggression and warmongering. Banksy's Israel/Palestine wall fits perfectly into that category, whether misguided or not, and his anti-authoritarian stance on everything could have been lifted directly from the philosophy of another of Britain's great near forgotten artists, Martin Wolk. Oddly enough, given binc2's proposal for the renaming of contemporary art, Wolk himself once famously said, "I fart in the face of Art".

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: