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Albert Anker - Schöne Welt. Zum 100. Todestag: Alltag zwischen Stube und Salon

Vielleicht dürfen Giovanni Segantini und Ferdinand Hodler als die wichtigsten Schweizer Künstler des 19. Jahrhunderts gelten, beim flächendeckend beliebtesten jedenfalls lassen die Eidgenossen keinen Zweifel aufkommen. Keiner konnte die „Schönen Welten“, so auch der Titel der Ausstellung im Museum Oskar Reinhart am Stadtgarten (Winterthur) so festhalten wie Albert Anker, wobei die schönen Welten mit der ewig gleich bleibenden Prämisse, dass früher ja alles besser gewesen wäre, gleichzusetzen sind. Jene Beliebtheit bemisst sich beispielsweise daran, dass es wohl in der Schweiz kein Brockenhaus geben dürfte, in dem nicht eine Vielzahl an Reproduktionen des 1831 im Berner Ins geborenen Künstlers auf neue Besitzer warten. Das Werk vervielfältigt, kommerzialisiert und nicht nur darin ähnelt das Werk Ankers jenem seiner Zeitgenossin Johanna Spyri. Anker malte eben jenes Dasein, in dem die Schriftstellerin ihre Protagonistin „das Heidi“ aufwachsen lässt. In einer Welt, in der die Elterngeneration für das täglich Brot sorgt, sind Kinder in ihrer Unbedarftheit und Großeltern in ihrer Unzulänglichkeit aufeinander angewiesen, das ist weder bitter noch heiter, sondern schlicht realistisch, und zu dieser Selbstverständlichkeit gehört zum Leben auch der Tod. Anker, wie Spyri, die er nie kennen gelernt hat, standen den Ideen von Johann Heinrich Pestalozzis Elementarbildung nahe, denen zufolge die kindlichen Kapazitäten von Kopf, Herz und Hand gleichermaßen ausgebildet und gefördert werden sollten. Ankers Bilder sind alles andere als moralische oder sittliche Lehrstücke, vielmehr sind es stille Beobachtungen fernab von Triumph oder Scheitern, ob sie deshalb ehrlicher sind, sei dahingestellt. Die Großeltern füttern die Kleinsten mit Suppe oder Geschichten, der etwas ältere Nachwuchs hingegen versorgt beide, mittels Vorlesen, Nahrung oder Aufmerksamkeit, wenn sie nicht eben eifrig am Lernen sind. Mädchen, so erfahren wir, gehen ohnedies selten ohne einem Handarbeitskörbchen aus dem Haus, für das emsige Strümpfe stricken zwischendurch. Albert Anker als Heimatmaler zu bezeichnen , wäre allerdings weder gerechtfertigt noch zutreffend, provinziell wirken diese ganz intensiven Beobachtungen schon gar nicht. Wen wundert es, verbrachte der Künstler doch gemeinsam mit seiner Familie jeweils die Hälfte des Jahres in der Kunstmetropole schlechthin. Inmitten des Studiums der Theologie hatte sich der junge Mann seinerzeit durchgerungen, den Vater von seiner künstlerischen Berufung zu überzeugen und war zum Studium der Malerei nach Paris gegangen. So sehr der Künstler mit Ins verwurzelt war, sich in seiner Heimatgemeinde für das Schulwesen engagierte und seine Motive dort fand, die Seine-Metropole sollte Anker sein Leben lang eine zweite Heimat sein. Was er im Sommer in den Schweizer Bergen beobachtete und skizzierte, wurde in den Wintermonaten im Pariser Atelier ausgeführt, die Werke, mehrfach im Salon ausgestellt, kamen beim kaufkräftigeren städtischen Publikum ebenso gut an wie die fein gemalten bäuerlichen und bürgerlichen Stillleben. Heute, hundert Jahre nach dem Tod des Künstlers, besitzt Christoph Blocher, der wohl umstrittenste Schweizer Politiker, eine beachtliche Anker-Sammlung. Die Werke mögen dem Rechtspopulisten nur allzu gut in seinen Kram passen. Den Künstler mit einer Ausstellung und vor allen Dingen durch die Publikation aus dieser nationalen Ecke herauszuholen, war demnach höchste Zeit.
Mehr Texte von Daniela Gregori

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Albert Anker - Schöne Welt. Zum 100. Todestag
21.11.2010 - 06.03.2011

Museum Oskar Reinhart
8400 Winterthur, Stadthausstrasse 6
Email: museum.oskarreinhart@win.ch
http://museumoskarreinhart.ch/
Öffnungszeiten: Di 10 Uhr - 20 h
Mi - So 10 Uhr - 17 h


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