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Thomas Struth - Fotografien 1978-2010: Zeigen, was da ist

Was soll ich malen? Bald musste sich der Student der Klasse von Gerhard Richter in Düsseldorf wohl eingestehen, dass es ihm weniger um den Vorgang des Malens als um die Konstruktion eines Bildes oder die Verbreitungsmöglichkeiten eines Themas ging. Seinem weisen Lehrer bleib hingegen nichts anders übrig, als den Zögling den Rat zu geben, in die Fotografieklasse von Bernd und Hilla Becher zu wechseln. Der Rest ist mittlerweile neuere Kunstgeschichte. Thomas Struth, der neben Andreas Gursky, Axel Hütte, Thomas Ruff und Candida Höfer, zur ersten und prominentesten Generation der Becher-Schule zählt, ist zur Zeit in der Düsseldorfer Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen eine umfassende Retrospektive gewidmet. Die Auswahl für den schwierigsten Raum der Kunstsammlung NRW, diesen langgezogenen Saal im Parterre, hat der Künstler selbst übernommen. Die frühesten Arbeiten sollten es sein, die unter dem Titel „Unbewusste Orte“ den Beginn des Œvres definieren und die „Paradiese“, an denen Thomas Struth bis vor nicht all zu langer Zeit arbeitete. Kleinformatige S/W-Aufnahmen von menschenleeren Straßen in Städten wie Düsseldorf, New York oder Rom, stets in der Zentralperspektive aufgenommen, finden sich in einer Abfolge mit dem großen Dickicht unberührter (Ur-)Wälder, in denen kein Weg, kein Horizont, auch kein Stück des Himmels auszumachen sind. Hier die Stadt ohne Alltag, dort das allumfassende Grün ohne Ausweg. Diese Klammer als Einstieg in Struths Werk hätte nicht besser inszeniert werden können. Ob nun die Werkgruppe der unbelebten Straßen oder der wuchernden Wälder, die zeitlich dazwischen liegenden stark frequentierten musealen Innenräume oder die eindringlichen Familienportraits, sie alle kommen ohne Sentiment, ohne Übertreibung aus, jegliche Theatralik ist ihnen ebenso fremd wie kritische Seitenblicke. So differenziert die Themen von Thomas Struth erscheinen mögen, die Einheitlichkeit liegt in der Konsequenz, zu zeigen, was da ist. Nicht mehr und nicht weniger. Immer distanziert und nie bloßstellend. Selbst in den Museumsbildern, die Menschen beim Betrachten kanonischer Werke der Kunstgeschichte zeigen, werden Touristengruppen, die sonst womöglich als zu viele und zu störend empfunden werden, zu versunkenen einzelnen Individuen. Wie es scheint, hat sich dann doch noch ein Weg aus dem Paradies gefunden. Die neuesten Arbeiten haben Struth an Orte geführt, die wie er es nennt „die Schnittstellen zwischen Technologie und Ambition bilden, wo die Grenzen des Machbaren ständig neu herausgefordert werden“. Die riesigen Schiffsbäuche in Werften, die technoiden Kabelsalate in Schaltzentralen, die cleanen Gänge in Forschungszentren, das Megalomane und Sterile. Was als Überlegung konsequent erscheint, führt den sicher intellektuellsten der Becher-Schüler allerdings formal wohin, wo er nie war und auch sicher nie sein wollte. Verwechselbarkeit ist kein Begriff, der zu Thomas Struth passt.
Mehr Texte von Daniela Gregori

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Thomas Struth - Fotografien 1978-2010
26.02 - 19.06.2011

K20 Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen
40213 Düsseldorf, Grabbeplatz 5
Tel: +49-211- 8381-130, Fax: +49-211-8381-201
Email: info@kunstsammlung.de
http://www.kunstsammlung.de
Öffnungszeiten: Di-Fr 10-18, Sa, So 11-18 h


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