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Revival in Schichtholz

Noch in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts gab man bei Möbelentwürfen Holz den Vorzug. In den 20er Jahren begannen europaweit die Stahlrohr-Experimente. Am Bauhaus war dafür Marcel Breuer verantwortlich, der 1925 die Leitung der Möbelwerkstatt übernommen hatte. Allerdings wollte das breite Publikum kaum eine derart technisch orientierte Möblage. Walter Gropius merkte später diesbezüglich an: \"Man müsse halt erst einmal solche Möbel für die Reichen schaffen, damit die Arbeiter diesen neuen Stil als Lebensideal anstreben.\" Wirklich durchsetzen konnte sich das Stahlrohrmöbel trotz bahnbrechenden Designs nicht; es blieb elitär und wurde etwa um die Mitte der 30er Jahre auf Gemütlichkeit getrimmt. So stellte der württembergische Möbelproduzent Walter Knoll Anfang der 30er Jahre auf Basis der Thonet-Stahlrohrgestelle eine Kollektion von Polstermöbeln her. 1932 propagierte Thonet diese Kollektion als so genannte \"K-Serie\" für den Möbelhandel. Ein Jahr später wurde das Bauhaus unter der NS-Kulturbürokratie aufgelöst, womit ein Exodus der ehemaligen und international anerkannten Designer einsetzte. Unter ihnen war auch Marcel Breuer, der auf der Suche nach neuen Betätigungsfeldern im Herbst 1935 nach England emigrierte. Dort hatte Walter Gropius die Leitung der Designabteilung des damals kleinen und noch unbekannten Unternehmens Isokon übernommen. Die im selben Jahr von Jack Pritchard gegründete Firma hatte die Verbreitung \"modernen funktionalen Designs für Häuser, Wohnungen, Einrichtungen und Zubehör\" zum Ziel. Gropius holte Breuer zu Isokon und beauftragte ihn mit einer Schichtholzvariante der legendären Stahlrohrliege (\"313\"). Anfang Juli stand bei Sotheby`s in London eine Auswahl dieser besonderen, in den späten 30er Jahren entstandenen Breuer-Entwürfe im Angebot. Gleich vorweg ? die Klientel schätzte diese Raritäten und die Käufer stammten allesamt aus Europa. Die technische Umsetzung, vor allem der gebogenen Liegefläche, war in den 30er Jahren noch sehr aufwändig und musste aus Estland importiert werden, weshalb in den ersten Jahren nur wenige Modelle hergestellt wurden. Im Vergleich zum Masseangebot an Stahlrohr-Möbeln sind solche aus Schichtholz trotz ihrer Seltenheit noch unterschätzt und damit preislich unterbewertet: Nicht selten bleiben Unikate unbeboten, wie zwei für Jack Pritchards Privatgebrauch geschaffenen Esstische, die von Christie`s (1999) mit je 20.000 Euro veranschlagt wurden. Während für die legendäre Stahlrohr-Liege 40.000 Euro und mehr bezahlt werden, sind Schichtholz-Varianten für einen Bruchteil zu haben. 1999 versteigerte Christie`s eine schlichte Ausführung für umgerechnet 9.750 sowie Sotheby`s eine mit grünlackierter Liegefläche für knapp 13.000 Euro. Die von Breuer für Isokon entworfenen Modelle stammen alle aus den Jahren 1935 bis 1937. Darunter auch der \"Short Chair\" (Christie`s, 1999, 7.500 Euro) oder ein niedriger Beistelltisch, der jüngst im Dorotheum samt originaler weißer Lackierung für 1.830 Euro den Besitzer wechselte. Die jüngste Auswahl bei Sotheby`s war insofern besonders, als einige der Modelle nie in Serie gefertigt wurden. Solche Prototypen bewegen sich schon eher in einem adäquaten Preisgefüge: Für einen schlichten Damenschreibtisch waren als Limit etwas mehr als 48.00 Euro veranschlagt, für knapp 50.200 wurde er zugeschlagen. Die bei Sotheby`s angebotenen Entwürfe wurden exklusiv für das Appartement von Doris Ventris, einer Zeitgenossin und Auftraggeberin Henry Moores, Ben Nicholsons und Naum Gabos gefertigt. Verhältnismäßig günstig taxiert waren klassische Einrichtungsgegenstände wie Bücherregale und ein Hi-Fi-Schrank (je 24.000-32.000 Euro), ein Sideboard mit Rollladentüren (16.000-24.000), die jeweils zur unteren Taxe den Besitzer wechselten. Etwas höher lagen die Erwartungen für Sonderanfertigungen wie dem Toilettentisch inklusive Spiegel- und Schrankelement mit herausschwenkbaren Laden ( 32.000-48.000), der seinen Endpreis bei herausragende 67.000 Euro fand. Der gefälligste Prototyp der Auswahl war n die als Duo angebotenen Fauteuils mit integriertem Ablagefach in der Armlehne ? je Exponat zwischen 48.400 und 64.500 Euro geschätzt, beliefen sich die Hammerpreise auf 67.000 bzw. etwas mehr als 63.000 Euro. Seit kurzem ist dieses Modell auch als Re-Edition erhältlich (\"Isokon Plus\"). Obwohl Isokon viele Designer beschäftigte ? so entwarf Moholy-Nagy das Firmenlogo ? gelangte das Unternehmen erst mit den Breuer-Entwürfen zu internationalem Ruhm. Erst 1963 besann man sich dessen und übernahm Breuers Liege und Satztische aus Schichtholz in die Serienproduktion.
Mehr Texte von Olga Kronsteiner

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