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Fundiert verfranst

Bei den in letzter Zeit sich häufenden Einlassungen mit der Kunstkritik – ob nun in Form einschlägiger Publikationen oder auch Veranstaltungen (so wird etwa auch das Magazin „Texte zur Kunst“ seine 20-Jahr-Feier mit einer Konferenz zu diesem Thema begehen - 11. Dezember 2010 / ab 16 Uhr Hebbel-Theater am Ufer, Berlin) – steht nicht selten die Frage nach den Kriterien im Raum, anhand derer sich eine Auseinandersetzung mit Kunst bzw. die Beurteilung von Artefakten bewerkstelligen lässt. Ebensolche ästhetische Kriterien zu erarbeiten hatte sich vor rund zehn Jahren eine umfangreiche Publikationsunternehmung zum Ziel gemacht, zu der nun eine (weitaus erschwinglichere) Studienausgabe erschienen ist: Unter dem Titel „Ästhetische Grundbegriffe“ versammelt dieses wunderbare Werk, dessen Entstehungsgeschichte bis in die Zeit der DDR zurückreicht, ganze 170 solcher Begriffe und gönnt sich, diesen auf über 6000 Seiten in extenso nachzugehen. Nachlesen statt Nachschlagen: Konzipiert eher als thematischer Querschnitt denn als vollständige Enzyklopädie, ließe sich hier ebenso an eine – freilich äußerst voluminöse – Anthologie denken, die sich neben der Großzügigkeit der einzelnen Beiträge (die Texte erstrecken sich nicht selten auf mehreren dutzend Seiten) gerade auch gemäß ihrem Gegenstand eine gewisse inhaltliche Flexibilität erlauben kann: „Es geht um eine Bilanz der Geschichte ästhetischen Denkens im Spiegel seiner Begrifflichkeit und vor dem Hintergrund der aktuellen Entgrenzung des Ästhetikbegriffs“. Diese Aufgabe sah man nur als „multidisziplinäres Projekt“ adäquat umgesetzt, was etwa in dem Auswahlprinzip für die Lemmata Niederschlag fand, für die es galt, mehr als in einer Disziplin bzw. einem Wissensbereich von Relevanz zu sein. Ähnlich spiegelt sich dieser Wille zur Verfransung in den Biografien der VerfasserInnen der Artikel wider, die aus verschiedenen Wissenschaften stammen, wobei auch Wert auf unterschiedliche lokale Herkunft gelegt wurde. Trotz ansatzweise angestrebter „Enteuropäisierung“ handelt es sich dann doch um eine weitgehend ‚westlich’ geprägte Perspektive, was aber angesichts des historischen Fokus auf die Ästhetik als Disziplin durchaus legitim ist. Zu guter Letzt stellt einen wesentlichen Bestandteil des Lexikons, dessen zweiter Band etwa die famose Aufschrift „Dekadent bis Grotesk“ ziert, der ausführliche Anhang dar, der ein Personen-, Werk- und Begriffsregister umfasst (das übrigens über ein bloßes Verzeichnis der behandelten Begriffe weit hinausgeht, stattdessen handelt es sich hier um eine komplexe Verweisstruktur, die detailliert Assoziationsfelder erschließt). Tatsächlich ist hier die Rede von dem „Anspruch, eine neue Form lexikaler Repräsentation und Wissensvermittlung zu bieten“ – das Resultat zeigt, dass es mit dem Dialog als Methode (Christoph Menke spricht gar von ‚Disput’) vortrefflich gelungen ist, diesem Anspruch gerecht zu werden.
Mehr Texte von Naoko Kaltschmidt

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