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Marktanalyse zum österreichischen Halbjahr

Marktanalyse zum österreichischen Halbjahr Wo sind die Sammler? Wer hat Paroli-Strategien? In Österreich überlässt das heimische Publikum zunehmend der internationalen Klientel das Feld. Das hat für den Auktionsbereich - und hier die Sparten Alte Meister, Jugendstil und Silber - genauso Gültigkeit wie auf den saisonalen Messeveranstaltungen. Ein Trend mit Für und Wider. Positiv für den Wirtschaftsfaktor im Allgemeinen, schon, weil damit die Bedeutung des Standortes wächst. Es sei denn die Ware wurde mit Ausfuhrverbot belegt, was nicht selten vorkommt und meist willkürliche Gründe hat. Eine Anpassung der anachronistischen Bestimmungen für bewegliches Kulturgut an EU-Normen bzw. Marktbedingungen täte hier zu Lande Not. Das kümmerliche Fazit: Der österreichische Markt hat sich durch die Abschottungspolitik des Bundesdenkmalamtes nie vollständig öffnen können. Würde Liberalität gelebt, so bringt es Otto Hans Ressler, Geschäftsführer der Wiener Kunstauktionen, auf den Punkt, \"würde sich die Abteilung im Prinzip auflösen.\" Von daher wird dieser Beamtenstaat wohl nie Novellierungen anstreben, \"man schickt sich ja kaum selbst in Pension.\" Hochwertiges ist hier zu Lande manchmal mit einem adäquaten Preis, aber nur selten mit solchen Richtwerten belegt, die mit einer breiten Nachfrage auf einem freien Markt entsteht. Rekordergebnisse werden eben anderswo erzielt. Kein vorgekauter Vernissagen-Small-Talk bitte! Was bleibt, ist die Mittelware, die immer schwieriger absetzbar wird, gerade in Ermangelung einer breiten jüngeren Sammlerschicht, die wenn schon, dann zeitgenössische Kunst oder die Sparte Design bevorzugt. Von der Händlerschaft samt ihrem Programm vergessen und manchmal als wenig finanzkräftige Erbengeneration abgetan, lernte die jahrgangsjüngere Fraktion sich ihr eigenes Urteil zu bilden. Museumsbesuche waren jahrelang Schlechtwetterprogramm bei Schulausflügen. Daheim vernahm man das Igitt gegenüber der Gegenwartskunst und nationalen Spielarten wie dem Aktionismus. Porzellantässchen, Biedermeiergläser, Nippes & Co wurden vor etwaigem Zugriff sorgsam in Vitrinen verwahrt. Nichts anfassen, lautete die Devise der Kindheitstage. Na denn entwuchs man also diesem Umfeld. Auf spießbürgerliche und schwer in den modernen Lifestyleplan integrierbare Kunst wurde und wird deshalb heute genauso verzichtet wie auf vorgekauten Vernissage-Small-Talk. Die Benetton-Stefanel-Clique der Mittdreißiger sucht sich eben andere Labels. Nicht an distinguierten Messeständen, nicht über charmantes Geplaudere, sondern dort, wo man offen kommuniziert, wo man als vollwertiger Interessent und etwaiger Geschäftspartner anerkannt wird: Auf Auktionen und in Galerien, wie es auch deren Umsatzzahlen belegen; die mögen in manchen Sektoren rückläufig sein, bleiben aber im Schnitt doch konstant. Eine Frage der Präsentation Derweilen jammert der klassische Kunst- und Antiquitätenhandel, der sich jahrelang vor dieser jungen Sammlerklientel verschanzt hat und jetzt keinen Zugang mehr findet. Gleichzeitig ist die Gangart heute eine deutlich härtere, schon, weil die Preisspannen zwischen Ein- und Verkauf massiv geschrumpft sind. Möbel des Barock, Rokoko und Biedermeier sind immer schwieriger absetzbar, werden \"bis zu vier mal angefragt\", so Ernst Popp (Kunsthaus Wiesinger) über den Messealltag. Nur Händlern mit internationaler, sprich amerikanischer Sammlerklientel, ist der Absatz im Bereich Jugendstil gesichert. So punkten singuläre Erscheinungen wie Patrick Kovacs, dessen jugendlich-offene Präsenz inklusiver Zeitgeiststrategien wie Web-Previews, die Klientel zu locken versteht. Und das Geschäft mit der Kunst ist längst auch zu einer Frage der Präsentation geworden. Ein demokratisches Nebeneinander statt biederem Reih-an-Glied, weiß auch Martin Böhm, seit Jahresanfang Geschäftsführer des im Herbst 2001 privatisierten Dorotheums. Das brave Erscheinungsbild der Auktionswochen-Schaustellung cancelte er ebenso zu Gunsten eines anstrebbaren Alltagsinterieurs, wie das konservative Katalog-Layout zu Gunsten eines feschen Designs. Das sind freilich kaum kurzfristige Umsatzanheizer, dennoch konnte man im Mai Rekordumsätze in den Sparten Zeitgenossen und Jugendstil sowie eine Steigerung der Verkaufsquoten bei Silber und Design verbuchen. Parallel dazu setzen Auktionshäuser verstärkt auf den Bereich Collectibles: die WKA ebenso mit umfangreichen Sammlungen (u.a. Paperweights 1999, Oktober 2002 mehr als 3000 tabakhistorische Objekte) wie das jüngst das Dorotheum (Petschaften Mai 2002). Alles in allem, werden griffige Strategien und marktkonforme Überlegungen die Zukunft des österreichischen Kunstmarktes bestimmen: etwa sich vom allumfassenden Boomgedanken zu verabschieden, kleine vielleicht auf den ersten Blick weniger lukrative Erfolge wieder schätzen zu lernen, sich Neuem zu öffnen und mit künftigen Generationen einen offenen Dialog zu pflegen, den internationalen Weg weiter - aber bitte mit einer Prise Nonchalance zu verfolgen. Nur dann, kann einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld gegenüber Paroli geboten werden.
Mehr Texte von Olga Kronsteiner

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Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Rezeptions-Industrie als Parallel-Aktion des Kunstmarktes
Philipp Maurer und Hubert Thurnhofer, IG Galerien | 29.08.2002 10:35 | antworten
Olga Kronsteiner verspricht im Titel eine \"Marktanalyse\", liefert uns aber nur das allzu bekannte Lamento des Kunsthandels. \"Wo sind die Sammler?\" stellt sie die ewige Frage, lässt aber unbeantwortet, was man unter einem Sammler zu verstehen habe. Vielleicht sollte man dieses große Wort etwas relativieren. Zu empfehlen wäre, das Fernrohr, mit dem Galeristen gerne, aber meist vergeblich den Kunstmarkt nach Sammlern absuchen und nebenbei in die Räume ihrer Kollegen schielen, einmal umzudrehen und damit die eigene Kundenkartei zu durchleuchten. Gibt es da nicht viele, die schon öfter bei uns gekauft haben? Mit ein bisschen Toleranz darf ich wohl einen Kunden, der öfter als einmal bei mir gekauft hat, als Sammler bezeichnen, oder? \"Von der Händlerschaft samt ihrem Programm vergessen, lernte die jahrgangsjüngere Fraktion sich ihr eigenes Urteil zu bilden\", schreibt Kronsteiner weiter. Von \"Fraktionen\" zu reden, als ginge es beim Kunstkauf um Flügelkämpfe zwischen Alt und Jung, ist die falsche Polarisierung. Die Grenze läuft eher zwischen der breiten Gruppe von Kunstinteressierten, die auch in Massen zu Großevents wie der Documenta pilgern, und der kleinen Gruppe von Kunst-Käufern. Kunst hat das Problem, als Medium relativ alt auszusehen gegenüber dem Film und dem Internet und für das neue Wahrnehmungs- und Rezeptionsverhalten ziemlich langweilig zu erscheinen. Hier liegt das grundsätzliche Problem des Kunsthandels, das noch verstärkt wird durch Großausstellungen, die vollgestopft sind mit Videoprojektoren. Daher ist es notwendig, gerade das \"traditionelle\" Wahrnehmen als intellektuelle und kontemplative Alternative anzubieten. Dieses Angebot findet sich in unseren Galerien in international jederzeit vergleichbarer Qualität. Dieses Angebot findet aber international wenig Interesse. Es würde sich daher lohnen, einmal zu untersuchen, welchen Beitrag die zum Teil hoch subventionierte Kunstrezeptions-Industrie von Kunstvereinen, Biennalen und Kunsthallen leistet, um Kunst-Interessierte zu Kunst-Käufern zu machen. Derzeit läuft diese Industrie fast immer nur als Parallel-Aktion zum Kunstmarkt, ein Zusammenrücken würde der Kunst aber gut tun.

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