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Matts Leiderstam - Grand Tour, Imre Nagy - Koffeinmodus: Tour der Veränderung

Im Grazer Kunstverein wird anlässlich des steirischen herbst die aktuelle Position zweier junger Künstler gezeigt, die in ihren Installationen die tradierten Begrifflichkeiten von Kunst, Kunstwerk und ihre Rezeption thematisieren bzw. in Frage stellen. Imre Nagy interveniert im Studio mit Objekten aus Holz, Plexiglas, Papier und Klebeband, die sich in ihrer fragil wirkenden Substanz jeder herkömmlichen systematischen Zuordnung als Modell, Architektur oder Skulptur entziehen. So wie die aus Plexiglas konstruierten Dreiecke eine mit einem quadratischen Muster bezeichnete Fläche in unzählige Facetten aufgesplittert erscheinen lassen, sollen übernommene Vorstellungswelten und Prinzipien aufgebrochen werden. Imre Nagy verweist mit der bewusst instabilen, ephemeren Struktur der Arbeiten auf die permanente Veränderung der Denkprozesse. Die einzelnen Exponate stellen gleichsam essayistische Modelle von dialektischer Qualität dar, in welcher der umgebende Raum wie der Besucher mit einbezogen wird. Matts Leiderstam inszeniert auf zehn Tischen eine Grand Tour, eine Reise, wie sie vom späten 17. bis ins 19. Jahrhundert von jungen Adeligen zur kulturellen Bildung, aber auch zum Amusement unternommen wurde. Er macht sich dabei Kunstwerke aus dem eben jener Epoche zu eigen, kopiert und fotografiert sie und konfrontiert das klassische Werk mit neuem Kontext. Methodik, Recherche und Instrumentarium ist der kunsthistorischen Disziplin entlehnt, Bücher, Kataloge und Lupen richten den Blick auf den jeweiligen von Leiderstam fokussierten Aspekt im gewählten Werk. So inspirierte die Hängung von Pierre-Jaques-Antoine Volaires Gemälde „L’éruption du Vésuve“ im Art Institute of Chicago zwischen einer barocken Verführungsszene, einer zeitgleichen Obeliskendarstellung und einer Frauenbüste den Künstler zu einer doppeldeutigen Interpretation des Vulkanausbruchs. Er fertigte eine Kopie des Gemäldes, verbrachte dieses auf den Vesuv und fotografierte diese Szenerie. In Graz ist die Kopie ausgestellt, davor wird auf Tisch 6 anhand von drei Dias jene Rückführung des Gemäldes in die Vulkanlandschaft mit einer historischen Aufnahme des Originals im einstigen großbürgerlichen Interieur sowie mit dem aktuellen Aufstellungsort im musealen Zusammenhang konfrontiert. Dem aufgeschlagenen Museumskatalog ist ein in Öl gemalter vergrößerter Ausschnitt mit Blick direkt in die glühende Lavamasse beigelegt, ein Buch über die Grand Tour nach Italien vervollständigt die Installation. Leiderstam stellt mit diesen prozessualen Arbeiten die von ihm gewählten Kunstwerke in erweiterte Kontexte, die mit kritischen, sozialhistorischen, oftmals ironischen Aspekten ergänzt werden. Fragen nach der Objektivität von musealen Institutionen und Präsentationen, Originalität und Authentizität werden aufgeworfen. Der Künstler bringt produktive Verwirrung in eine kanonische Ordnung und sucht so die Aufmerksamkeit auf verdrängte Subtexte von Kunstwerken zu lenken und neue Perspektiven zu erschließen. Der Parcours ist von ausgeprägtem dokumentarischem und didaktischem Charakter und bedarf einer eingehenden Betrachtung, aufschlussreiche Erläuterungen liegen auf.
Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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Matts Leiderstam - Grand Tour, Imre Nagy - Koffeinmodus
26.09 - 19.11.2010

Grazer Kunstverein
8010 Graz, Palais Trauttmansdorff, Burggasse 4
Tel: + 43 316 83 41 41, Fax: + 43 316 83 41 42
Email: office@grazerkunstverein.org
https://www.grazerkunstverein.org/
Öffnungszeiten: Mi-Fr 11-18 h


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