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Phyllida Barlow - Street: Hilflose Imponierarchitekturen

Es ist mehr als vier Jahrzehnte her, dass Phyllida Barlow für ihre temporäre Installation „Tent“ Straßenmüll mit bemalten Leinwänden überdachte. Trotz dieser radikalen bildhauerischen Geste war Barlow bis vor wenigen Jahren über die Grenzen Großbritanniens, wo sie an der Slade School of Arts lehrte, kaum bekannt. Heute ist „Tent“ nicht mehr erhalten: Barlow kümmerte sich schlicht niemals darum, was mit ihren Arbeiten passierte; recycelte häufig auch Teile ihrer Objekte – eine nicht weniger radikale Einstellung. Seit sie nun Hauser & Wirth unter Vertrag genommen hat, ändert sich das freilich. Zwei Sattelschlepper Kunst ließ Barlow nun in die Bawag Contemporary transportieren. Betritt man diese vom Franz-Josefs-Kai, dann muss man sich zunächst durch einen Wald aus Flaggen, einzementiert in grobe Betonsteher, schlagen. Wer von der anderen Seite in den Raum, der den Charakter einer Passage besitzt, kommt, der steht vor einem eingeschwärzten Gerümpel-Haufen – Sperrholz, Plastikteile, Gips, Rohre, Paletten finden sich hier, also: Stadtmöblierung, die man üblicherweise kaum wahrnimmt. Ebenso wenig nimmt man jene Art von urbanem Inventar wahr, an der sich Barlow ebenfalls abarbeitet: Schon Robert Musil stellte fest, dass nichts so unsichtbar sei wie das Denkmal. In Barlows Interpretation wird das Monument entweder umgestoßen, wie in der überdimensionalen Säule, die in Scheiben am Boden liegt, oder derart dekontextualisiert und deplatziert, dass es als Imponierarchitektur nicht mehr taugt – so erscheint ein rot angestrichenes, an der Wand hängendes Turmstück geradezu hilflos. Die grobe Textur lässt Barlows Objekte roh, unprätentiös, widerspenstig wirken. Dennoch behaupten sie ihre physische Wirkung im Raum, bedrängen einen bisweilen geradezu. Barlow inszeniert hier so was wie einen Aufstand der Straße. Es verwundert kaum, dass ihre frühen Arbeiten schon für weitaus jünger gehalten wurden; sie war eben bereits in den 1960er-Jahren ihrer Zeit voraus. Kurz: Eine echte Entdeckung.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Phyllida Barlow - Street
09.09 - 21.11.2010

BAWAG P.S.K. Contemporary
1010 Wien, Franz Josefs Kai 3
http://www.bawagpskcontemporary.at
Öffnungszeiten: täglich 14-20h


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