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Macht zeigen. Kunst als Herrschaftsstrategie: Fortsetzung erfolgt

Das Etikett „Blockbuster-Ausstellung“ wäre hier wohl etwas verfehlt. Trotzdem könnte man sich vielleicht der kinematographischen Terminologie bedienen, um dieses Phänomen auf den geeigneten Begriff zu bringen: „Sequel“ oder – in Anlehnung an das „Buch zum Film“ – „Ausstellung zum Buch“ wären da beispielsweise hilfreich. Denn der Kurator Wolfgang Ullrich, nunmehr Professor an der Kunsthochschule in Karlsruhe, davor freier Autor (mit großem Gespür für den Zeitgeist) und – das ist in diesem Zusammenhang vielleicht nicht unerheblich zu erwähnen – Unternehmensberater, hat vor zehn Jahren eine durchaus faszinierende Studie („Mit dem Rücken zur Kunst“) verfasst, die die moderne, mit Bourdieu geredet: distinktive Indienstnahme der Kunst durch die politischen und wirtschaftlichen Machthaber erhellt. Und nun: „Macht zeigen. Kunst als Herrschaftsstrategie“. Also: dasselbe Thema, nur in ein anderes Medium, das der Ausstellung, transponiert. Man muss freilich jetzt nicht gleich Hegel bemühen, um zu behaupten, dass das begriffliche Denken – in der Form des Textes – der sinnlichen Anschauung – in der Form des Bildes – bei zunehmender Komplexität der Verhältnisse überlegen ist, weil dem Geist näherstehend. Aber man könnte schon zu der Überzeugung gelangen, dass in dem Buch wesentlich mehr gesagt wurde, als hier gezeigt werden kann: Und gezeigt wird hier vor allem, nach einem kurzen Blick auf die Geschichte der kunstvollen Repräsentationspolitik – wir befinden uns schließlich im Deutschen Historischen Museum – und einem ebenso kurzen Kapitel über die nationalsozialistische Inszenierungskunst – wir befinden uns schließlich im Deutschen Historischen Museum –, dass Politiker und Manager (oder Unternehmen im Allgemeinen) hierzulande offensichtlich gerne im Glanz moderner Kunst erstrahlen. Was dann konkret so aussieht: ein Photo von Sigmar Gabriel vor der Willy-Brandt-Statue von Rainer Fetting neben einem Photo von Frank-Walter Steinmeier vor der Willy-Brandt-Statue von Rainer Fetting neben Photos von fünf weiteren SPD-Politikern vor der Willy-Brandt-Statue von Rainer Fetting neben, ja natürlich, dem Modell der Willy-Brandt-Statue von Rainer Fetting (denn die Kunst, die originale, muss hier ja auch noch ihren Platz haben, wo doch geschätzte zwei Drittel der Exponate aus Reproduktionen bestehen, was ironischerweise aber gerade wieder Ullrichs These von der verkannten Bedeutung ebensolcher Reproduktionen, die er in seinem aktuellen Buch vertritt, zu unterstützen hilft). Oder: moderne Kunst im Konferenzraum der E.ON-Zentrale, moderne Kunst im Stiegenhaus der E.ON-Zentrale, moderne Kunst in der Kantine der E.ON-Zentrale usw. usf. Das ist dröge. Und redundant. Und wirkt, als ob man sich hier gewissermaßen Ullrichs überbordendem Bildarchiv gegenübersähe, aus dem er sich ziemlich wahllos bedient zu haben scheint. Und das Ganze wird auch nicht besser, wenn man zur näheren Erklärung von so mancher Bildserie etwa lesen darf, wie Photograph A den Termin mit Politiker B wahrgenommen hat. Oder wenn, was in dem Buch desgleichen viel zu kurz kommt, gegen Ende der Ausstellung dann doch noch einmal darauf eingegangen wird, wie die Kunst sich ihrer Instrumentalisierung zu widersetzen sucht. Es ist also, um den Vergleich vom Anfang wieder aufzunehmen, hier wirklich wie beim Film: Denn das Sequel ist meist deutlich schwächer. Und ein „Buch zum Film“ braucht, hat man den Film selbst gesehen, eigentlich auch kaum jemand.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

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Macht zeigen. Kunst als Herrschaftsstrategie
19.02 - 13.06.2010

Deutsches Historisches Museum
10117 Berlin, Unter den Linden 2
Tel: +49 - (0)30 - 20304 - 444, Fax: +49 - (0)30 - 20304 - 543
http://www.dhm.de
Öffnungszeiten: Täglich 10.00 - 18.00 Uhr


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