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Hinter der Vierten Wand - Fiktive Leben - Gelebte Fiktionen: Probleme hinter Bildern

Die Tiger sind eigentlich nicht echt, aber auch keine Phantasieprodukte. Sie sind auffällige Requisiten aus Porzellan, die von kräftigen Frauen und Männern eine Weile nach oben gehalten, zum Schluss auf den harten realen Boden einer surreal anmutenden Kunstschau fallen gelassen werden. Die Vergangenheit einer Ganzheit, die ihre in Scherben zerfallene Zukunft generiert. Solche heiter-„tragikomisch“ ortspezifischen Simultanaktionen führt der Italiener Marcello Maloberti live vor. Die auf dem Video festgehaltene Performance erhebt die Schreckensmomente semi-theatralisch, indem die kitschigen Tierabbilder symbolisch vernichtet werden. Das Gefühl einer prekären Auflösung diverser Verhaltenformen und Taten oder ihres alltäglichen Scheiterns wohnt ebenfalls der Haltung der Performance und Video von Michael Fliri inne. In Give Doubt the Benefit of the Doubt demonstriert der hinter einer Maske versteckte Künstler, aus welchen operativen Tricks und Kunstgriffen unsere Realität besteht, wenn es darum geht, die Fiktion ihrer Wahrhaftigkeit aufrechtzuerhalten. Um Neuinszenierung des Realen handelt die außergewöhnlich komplex strukturierte Arbeit der Kanadierin Judy Radul. In der Siebenkanal-Videoinstallation World Rehearsal Court, die zeitgemäß hinter Plexiglas zu betrachten ist, werden Strukturen, Archive und Verfahrungsweisen der Institution Strafgerichthof untersucht, welche in ihren Ansätzen bereits theatralisch und autoritär aufgebaut ist. Mit dem Blick hinter die Kulissen der Arbeitsweise und Logik des internationalen Gerichtssaals in Den Haag wird der Ort samt seiner Technik und dem inszenierten Aufzeigen verschiedener, oft absurd wirkender „Beweisstücke“ wie z.B. der Band The New American Poetry oder ein schwarzer Rabe zu einer Bühne, auf der das Objektive mit dem Subjektiven ganz schnell zu verwechseln ist. Ilse Lafer, die Kuratorin dieser präzis umgesetzten und abwechslungsreich inszenierten Ausstellung beruft sich bei der Analyse der Kontamination der Realität mit der Fiktion und umgekehrt auf die imaginierte, nach Denis Diderot „vierte Wand“ genannte Trennung zwischen Bühne- und Zuschauerraum, die das Fiktive im Wirklichen im 18. Jahrhundert ästhetisch aufspüren wollte. Die Diderotsche Metapher wird heute eher immateriell und von technischen Trägern wie Film, Video, Interview, Kunstbuch usw. auf der Oberfläche gesteuert und manipuliert. Die Fiktion wird selbst zum Medium, was der Kunstpraxis von Broodthaers bereits abzulesen ist (der belgische Künstler wird in einigen Arbeiten zitiert) und in der Arbeit Aerospace Folktales (1973) von Allan Sekula anhand “sequenzieller fotografischer Porträts” seiner Protagonisten, aufgestellter Palmen und roter Regiesessel, die als “Verfremdungseffekte” dienen, ebenfalls nachvollziehbar. In dem zehn Jahre später entstandenen 16 mm Film spielt Harun Farocki dagegen, gleichsam autoreflexiv mit der eigenen Fiktionalität als Filmemacher und zeigt wie ein Film oft zwanghaft erprobt wird, damit die Fiktion stimmt. Auch die anderen zumeist filmischen Arbeiten von Aernout Mik oder Wendelien van Oldenbough erzählen wie umständlich heutzutage das Sein vom Schein auseinander zu halten ist, so dass man den Eindruck gewinnen kann, dass „unsere wahrgenommene Umwelt nur ein Schatten einer höheren Realität ist“ und die Potenziale kritischer Einmischung bloß in den wackeligen Zwischentönen liegen mögen.
Mehr Texte von Goschka Gawlik

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Hinter der Vierten Wand - Fiktive Leben - Gelebte Fiktionen
02.06 - 15.08.2010

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