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BERLIN 89/09 – Kunst zwischen Spurensuche und Utopie: Der Reiz des Unfertigen

Nach 20 Jahren Mauerfall nun das nächste Jubiläum: 20 Jahre Wiedervereinigung. Die Zeit, die danach anbrechen sollte, lässt sich noch schwer von der Gegenwart trennen – und so macht es durchaus Sinn, dass eine aktuelle Ausstellung diesen Zwischenraum zu thematisieren sucht. Der Umstand, dass das Ergebnis nicht gerade überzeugt, ist ein anderer. Denn die Schau in der Berlinischen Galerie ist leider viel zu wenig fokussiert geraten, Hauptsache Berlinbezug, scheint das Credo gewesen zu sein. Die Institution selbst hätte schon anhand der eigenen unsteten Geschichte von der Gründung als Verein 1975 über die diversen (Berlin-)typischen Zwischennutzungsphasen bis hin zum 2004 erfolgten Bezug der aktuellen Räumlichkeiten im Bezirk Kreuzberg einen interessanten Ausgangspunkt geboten. „Die Hauptstadt Berlin, von Baggern zerwühlt, versinkt in Optimismus“, so umschreibt der nunmehrige Leiter des Neuen Berliner Kunstvereins n.b.k. Marius Babias die Aufbruchsatmosphäre der frühen Nachwendejahre in der ehemals geteilten Stadt und bringt dabei eine wesentliche Ambivalenz zur Sprache: die Euphorie aufgrund der vollzogenen Wiedervereinigung, das Wissen darum, eine maßgebliche Zäsur mitzuerleben und zugleich die Ernüchterung angesichts der allzu hohen Erwartungen und Ambitionen. Auch fernab der unsäglichen ‚Ostalgie’-Welle verbreitet sich daher eine leise Wehmut in Bezug auf das, was von der DDR übrig geblieben ist, und weil es schon immer schwierig war, Ideologien oder auch kollektive Stimmungen zu visualisieren, bietet sich hierfür die Auseinandersetzung mit der Architektur an: Dem kürzlich nun endgültig abgetragenen Palast der Republik widmet sich Tacita Dean („Palast“, 2005), indem sie in Fensterdetails verzerrte Reflexionen einfängt und auf diese Weise das Trughafte dieses schnell verklärten Motivs in eine nostalgiegetränkt schwelgerische Bildsprache übersetzt; Nina Fischer & Maroan el Sani interessieren sich ebenso für den DDR-Prestigebau wie für die Clubszene des neuen Berlins und schaffen diesen trotz dokumentarischem Gestus kleine Monumente. Als Fortsetzung dazu lassen sich Karsten Konrads Arbeiten „Lost Island“ (2004) und „DDR [aussen]“ (2005) lesen, der im Modellmaßstab Gebäude der sogenannten Ostmoderne rekonstruiert und somit vor einem Vergessen zu bewahren sucht. Wie immens die Stadtlandschaft Berlins einst von Brachen und Baustellen gezeichnet war (im Vergleich zu anderen Metropolen ist dies auch gegenwärtig noch der Fall), wird anhand von zahlreichen Beiträgen sichtbar, etwa bei Lois Weinbergers gärtnerischen Interventionen im urbanen Raum, anhand Arwed Messmers trostlosen Impressionen des Potsdamer Platzes – dem vermutlich prominentesten Schauplatz der unmittelbaren Nachwendezeit – als desperates Steppengebiet oder auch in Reynold Reynolds stakkatoartig geschnittenem Bilderfluss, der als imposante 2-Kanal-Videoinstallation von rasant vorgetragenen Textpassagen begleitet umso dichter gerät („Stadtplan“, 2005). Und zur Situation heute bietet wohl Delbrügge & de Molls Arbeit „Artist Migration Berlin“ (2006) den treffendsten Kommentar zum noch immer nicht abklingenden Kunst-Hype: Niedrige Mieten, die (Über-)Fülle an kulturellem Geschehen sowie der bis heute spürbare Wandel der Stadt sind immer noch für viele Grund nach Berlin zu ziehen, doch in den Videointerviews mit Kunstschaffenden aus dem Ausland, die von ihren Erfahrungen in Berlin berichten, gerät dieses verklärte Bild ziemlich ins Wanken – „arm, aber sexy“ ist und bleibt einfach eine unglückliche Wendung.
Mehr Texte von Naoko Kaltschmidt

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BERLIN 89/09 – Kunst zwischen Spurensuche und Utopie
18.09.2009 - 15.02.2010

Berlinische Galerie
10969 Berlin, Alte Jakobstraße 124-128
Tel: +49-30-789 02 600, Fax: +49-30-789 02 700
Email: bg@berlinischegalerie.de
http://www.berlinischegalerie.de
Öffnungszeiten: Mo-Sa 12-20, So 10-18 h


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