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Skandal und Mythos / Eine Befragung des Archivs zur documenta 5 (1972): Nachlass zu Lebzeiten

Alles hat sich geändert in der Kunst der letzten vierzig Jahre. Die Abstraktion ist out und das Engagement in, es geht weniger um Werke als um Wirkung, und bei Botschaft denkt man weniger an Inhalt als an Geldgeber. Nichts hat sich geändert in der Kunst der letzten vierzig Jahre. Die Chefs der Ausstellungshäuser heissen immer noch Peter, Gerbert oder Edelbert mit Vornamen, und die Pressekonferenzen und Eröffnungen sind immer noch lange und langweilige Schaustücke des Jetzt-rede-ich. Die documenta fünf steht beispielhaft für die vielen Veränderungen und ewigen Stillstände in den letzten Dekaden, und genauso wird sie nun - anhand der Materialien, die im Kasseler Archiv lagern - im Project Space der Kunsthalle Wien vom Chef und seinem Team vorgeführt. Die documenta fünf, 1972 ins Werk gesetzt, räumte auf mit den fixen Wahrheiten und brachte das Prinzip Revolution aufs Tapet. Seither gibt es Projekte und Konzepte und die Realität als Modell. \"Individuelle Mythologien\" nannte man mit dem vielleicht erfolgreichsten Begriff, der damals kreiert wurde, die neuen Unwägbarkeiten. Parallel zum aufkommenden Wildwuchs entstand die Figur des Kurators, des seinerseits individuellen Mythologen, der die Schneisen schlug in die Unübersichtlichkeit. Dieser Kurator hieß Harald Szeemann. Seit dreissig Jahren steht Szeemann nun da als Monument des maskulin Menschenmöglichen. Und ebenso steht er in der Austellung. An die Wand gepinnt in grober Vorläufigkeit sieht man Projektskizzen und Künstlerkorrespondenz, Zeitungsausschnitte und aufs Blatt geworfene Tiraden, fahrig ausgebreitete Belegstücke für die damaligen Kämpfe. Und man sieht den Fels in der Papierflut, den Kurator, von dem wir uns heute erklären lassen, dass er damals recht hatte. Nicht ganz freiwillig spinnt die Schau mit dem Titel \"Skandal und Mythos\" an eben Letzterem weiter, während wir Ersteres glasigen Blickes Revue passieren lasssen. Ob sich Grossausstellungen vom Format der documenta fünf denn nicht überlebt hätten, wurde Szeemann einmal gefragt. Antwort: \"Das Prinzip hat sich auf eine Art und Weise nicht überlebt, wie sich etwa Wallfahrtsorte nicht überlebt haben.\" Die Ausstellung zeigt Szeemann nun als das Andachtsbild dazu.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Skandal und Mythos / Eine Befragung des Archivs zur documenta 5 (1972)
29.05 - 27.07.2002

Kunsthalle Wien Karlsplatz
1040 Wien, Karlsplatz/Treitlstraße 2
Tel: +43 1 52189-0
Email: office@kunsthallewien.at
http://www.kunsthallewien.at
Öffnungszeiten: Di-So 11-19, Do 11-21 h


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