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FIAC 2009: Ganz Paris träumt von der Kunst

Übersehen kann man es kaum in Paris: Es ist Fiac-Zeit. Das jährliche Kunstspektakel ist in den Medien und im Stadtbild allgegenwärtig, anders als etwa in Deutschland, wo Kunstmessen doch eher eine Randerscheinung darstellen. An den beiden Eröffnungstagen drängelt sich das elegantere Publikum erst durch das stabile Zelt im Cour Carrée des Louvre, tags darauf durch das zugige Grand Palais und beschert den Galerien gute Umsätze, ab Donnerstag dann stehen ab mittags die zahlenden Besucher Schlange. Bis dahin alles wie gehabt. Nur drinnen ist es etwas anders. Womöglich weil einige Großgalerien, vor allem aus den Usa, wie Acquavella, Gagosian, L & M und Pace Wildenstein die Stadt der Liebe als Marktplatz vielleicht doch nicht mehr so interessant finden, dass sie gleich einen ganzen Stand bespielen wollen, hat die Messeleitung sich etwas einfallen lassen: eine museal bestückte und aufgezogene Sonderausstellung mit teils marktbekannten Meisterwerken der Moderne bis Andy Warhol aus den Beständen von zehn Galerien, die allesamt keinen Stand (mehr) gemietet haben. Der große weiße Klotz inmitten des Grand Palais verärgert jedoch vor allem diejenigen Galeristen, die dahinter kaum noch wahrgenommen werden. Der Ersatz, den man für Abgängigen gefunden hat, führt allerdings zu einer nicht unangenehmen Verjüngung des Angebots im Grand Palais. So hat man aus dem Cour Carrée etwa die Pariser Galerie GB Agency in die heilige Halle geholt, wo sie sich einen Stand mit Jocelyn Wolff teilt und einige der hier eher selten zu findende Videoárbeiten zeigt. Ganz neu dabei ist Daniel Buchholz aus Köln und Berlin. Überhaupt nicht angetreten sind unter anderem Hauser & Wirth (London, Zürich), White Cube (London) und Christian Nagel (Köln, Berlin). Aus Deutschland kommt mit 20 Vertretern mittlerweile das größte ausländische Kontingent. Amerikanische Galerien sind ebenso auf dem Rückzug wie die Sammler von dort. Auch Asiaten und selbst Russen sind mittlerweile seltene Gäste. Thoams Krinzinger (Wien) verbindet daher sein Lob: „von der Atmosphäre her viel klassischer und schöner“ mit kritischen Tönen. Die Eröffnungstage seien wie in London sehr gut gewesen. Dort habe sich das Sammlerinteresse allerdings fortgesetzt, während in Paris die ernsthaften Gespräche deutlich nachgelassen hätten. „außereuropäische Sammler gibt es hier kaum“, stellt er fest. „London ist natürlich die viel internationalere Messe, mit Indern, Asiaten, Russen, doch auch ohne Amerikaner.“ Grund zur Klage hat er noch nicht. Schließlich hat er etwa die Dreier Auflage eines großformatigen am Computer collagierten Medusa-Floßes von Kader Attia zu je 38.500 Euro verkaufen können, zweimal nach Frankreich, einmal nach Mexiko. Nicht ganz klar wird die Aufteilung zwischen Grand Palais und Cour Carrée, sind dort doch vermeintlich die jüngeren Positionen zu sehen. Erstausstellerin Anke Kempkes mit ihrer New Yorker Galerie Broadway 1602 zeigt jedoch eben dort museale Positionen protofeministischer Künstlerinnen aus den 1960er Jahren, die zwischen 50.000 und 350.000 Euro kosten. Und Jiri Svestka aus Prag íst nun wirklich kein Neuling im Geschäft. Im allgemeinen sind hier allerdings tatsächlich Galerien mit jüngerem Programm vertreten, etwa Herald Street und Hotel aus London, Linn Lühn aus Köln oder Alex Reding aus Luxemburg mit dem Prix Marcel Duchamp-Kandidaten Damien Deroubaix oder Michel Wiesehöfer aus Köln mit einer Soloshow von Django Hernandez. Vieles davon würde man sich im Grand Palais wünschen. Vielleicht sollte man sich für die temporäre Architektur im Museumshof etwas anderes ausdenken. Wie bei der Muttermesse setzt man auch bei den Satelliten fast ausschließich auf den heimischen Markt. Das macht zwar einerseits von diesem abhängig und führt zu einem etwas einseitigen und zumeist wenig überzeugendem Angebot. Lediglich Show Off und die hippe Slick in dem ehemaligen Industriequartier Centquatre erreichen ein Niveau, das einen Besuch lohnt. Doch nur wegen der relativen Autarkie des französischen Marktes gibt es hier mit diesen beiden und der neuen Cutlog in der ehemaligen Börse sowie der Art Elysées in einer Zeltpromenade zwischen Grand Palais und Louvre noch insgesamt vier Satelliten. In London hat mit der Zoo lediglich einer überlebt, der sein Format mittlerweile überarbeitet hat. Die zukunfstweisenderen Projekte scheinen nicht nur in London alternative Verkaufsaustellungen zu sein. Auch in Paris hat sich eine Veranstaltung an die Fiac angedockt, die es sogar bis in deren VIP-Programm geschafft hat. „Golden Gates. „Contemporary Art from the Middle East“ heißt eine Ausstellung, die von der ehemaligen Investment-Bankerin Daniela da Prato organisiert wird. Seit knapp fünf Jahren arbeitet sie als Art Consultant mit Künstlern aus dem Nahen und Mittleren und vermittelt deren Arbeiten an Sammler und Museen. Ihre Show findet bereits zum zweiten Mal parallel zur Fiac statt und ist auf längere Sicht geplant. Mit seinem klaren Fokus und kompakten Format ist Golden Gates auf alle Fälle interessanter als die meisten Satelliten dieser Welt. Nicht nur diese, sondern auch die großen Messen wie Fiac täten gut daran, ihr eigenes Profil intensiver auf den Prüfstand zu stellen.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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FIAC 2009
22 - 25.10.2009

Grand Palais, Louvre-Cour Carré
Paris,
http://www.fiacparis.com/


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