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Everything Design: Gabentisch mit Sparschäler

Wie wird eigentlich ein für den Konsum hergestellter Gebrauchsgegenstand zu einem Designklassiker? Wie entsteht die Bedeutung eines Artefakts? Fragen wie diese finden gegenwärtig ihre Antworten in der Ausstellung „Every Thing Design“, die im Zürcher Museum für Gestaltung gezeigt wird.

Ausgehend vom Bestand der seit 1875 stetig wachsenden Plakat-, Design-, Kunstgewerbe- und Grafik-Sammlungen wählte Verena Formanek, Leiterin der Sammlungen, rund 400 Objekte aus, um neben der Sichtbarmachung des Wertewandels auch eine Hauptaufgabe der musealen Tätigkeit deutlich zu machen: Sammeln als ein stetes Selektionsverfahren von Gebrauchsgütern angesichts sich verändernder Fragestellungen in einem sozio-kulturellen Umfeld.

Entstanden ist eine vom Atelier Oï anregend inszenierte Schau, die aufgrund der offenen Präsentation an einen Gabentisch erinnert. Thematisch gliedert sich die Ausstellung in 9 Bereiche. Die Einordnung der Objekte in dieselbigen ist keineswegs eindeutig und klar, sondern regt oft zu weiteren Fragen an, denn der legendäre Sparschäler ‚Rex’ von Alfred Neweczerzal, der sich im Themenblock ‚Konstanz’ findet, hätte durchaus auch seinen Platz als Impulsgeber für all seine Nachahmer in ‚Design Reloaded’ finden können.

Während sich im Bereich ‚Verführung und Information’ neben den skandalträchtigen Palmers-Plakaten der GGK, auch Marlboro-Plakate und eine lasziv rauchende Fin de Siècle Dame von Alfons Mucha findet, prallen im ‚Lebenszyklus und Ökologie’ der Longseller der Freitag-Tasche auf die kurzlebige Schokoladenverpackung ‚Frigor’ von Jean Nouvel für Cailler. Trotz bestehender Lücken in der Auswahl (und diese gibt es je nach Betrachter ja immer) darf Formaneks Versuch eines Design-Kanon als voller Erfolg bezeichnet werden.

Alle wesentlichen Positionen der Bereiche angewandter Kunst wurden berücksichtigt; Fehlendes darf als eine Variante des Gezeigten verstanden werden. Die Einordnung in Themenbereiche ist eine offene, die zu einem Disput über das gezeigte, allzu Bekannte geradezu einlädt; also eine ideale Ausstellung auch für Studierende und Schulklassen. Einzig die ‚Gästeliste’, eine Auswahl von einzelnen Objekten durch neun renommierte DesignerInnen wirkt ein wenig deplatziert, denn als Abschluss der Ausstellung inszeniert, scheint es ein wenig so, als ob die Auswahl der Absicherung durch KollegInnen der eigenen Zunft bedurft hätte und dies ist angesichts der Qualität des Gezeigten definitiv nicht der Fall. Wenn schon subjektive Eindrücke, dann wäre eine Auswahl durch prominente Nicht-Designer vermutlich erfrischender gewesen.

Der Korpus des Kanon findet seine adäquate Gestaltung in Form eines ungewöhnlichen Kataloges der niederländischen Buch- und Grafikdesignerin Irma Boom. Ihrem preisgekrönten Werk wird derzeit im Plakatraum des Museums für Gestaltung gehuldigt. Und wer sehen möchte, wie fruchtbar das Zusammenwirken von Gestaltung und Produkten in der Schweiz funktioniert, dem sei ein Besuch der Ausstellung ‚Good Design, Good Business – Schweizer Grafik und Werbung für Geigy 1940-1970’ eine Etage höher ans Herz gelegt.

Mehr Texte von Harald Krämer

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Everything Design
03.04 - 19.07.2009

Museum für Gestaltung Zürich
8005 Zürich, Ausstellungsstrasse 60
Tel: +41 (0)43 446 67 67
Email: welcome@museum-gestaltung.ch
http://www.museum-gestaltung.ch
Öffnungszeiten: Di-Do 10-20, Fr-So 10-17


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