Werbung
,

Picturing America: Fotorealismus der 70er Jahre: Dead End

Der Fotorealismus war ein Affront, ein Schlag ins Gesicht all derer – der Künstler und Kritiker –, die die Kunstgeschichte einfach stur fortschreiben wollten. Denn er versuchte sich nicht nur an der Resurrektion einer Gattung, die nach den subjektivistischen Exzessen des Abstrakten Expressionismus und den in den 1960er Jahren darauf folgenden Versuchen, den überkommenen Kunstbegriff zu erweitern und die Leinwand damit hinter sich zu lassen, schon vielerorts mit enormem Getöse zu Grabe getragen worden war; nein, er bemühte zu diesem Zweck auch noch das ebenfalls bereits lange – eigentlich seit Beginn des Jahrhunderts – totgesagte Prinzip der Mimesis, verschrieb sich also ganz der gegenständlichen Malerei. Aber die größte Frechheit bei diesem doppelten Rückschritt war dann wohl der unverhohlene Einsatz der Fotografie als Vorlage – eine Maßnahme, die zwar schon seit den alten Tagen der Camera obscura gelegentlich ihre Anwendung fand, aber immer in aller Heimlichkeit, denn als Maler hatte man schließlich darauf bedacht zu sein, sein Originalgenie auszustellen. Und das ging dann auf gar keinen Fall mehr an, dieses geistlose Abmalen, fanden damals wenigstens die Hüter der hohen Kunst, auch wenn die Sammler dagegen beherzt zugriffen (und wohl ein Grund, warum das MUMOK, also die Stiftung Ludwig, hier so stark vertreten ist.) Aber aus heutiger Perspektive und angesichts dieser ersten großen Überblicksausstellung in Deutschland seit 30 Jahren – auch das vielleicht nicht nur Zufall – kann man sagen: Wir Wächter hatten einfach Recht. Denn der Fotorealismus war weder ein Hauptweg noch ein Nebenpfad der Kunstgeschichte, sondern vielmehr eine Sackgasse, die beschritten wurde, weil, erstens und ganz grundsätzlich, die Malerei ohnehin nicht totzukriegen ist und man, zweitens und zeitabhängig, Ende der 60er Jahre unwiderruflich im amerikanischen Alltag, das heißt vor allem in seiner Konsumkultur, angekommen war, der nun – nach den Verzerrungen der Pop Art – nach einem realistischen Ausdruck verlangte. (Darüber hinaus könnte der Fotorealismus, der sich bis weit in die 70er Jahre hinein hielt, durchaus auch als eine Art Krisenphänomen angesehen werden, denn in gefahrvollen Zeiten – Ölschock, Vietnamkrieg – hält man den Blick vermutlich eher starr nach innen auf Gewohntes und damit Sicherheit Versprechendes gerichtet.) Und das macht letztlich auch das merkliche Ungenügen am Fotorealismus aus: dass er sich eben nur an einer sachlichen Schilderung des Gegebenen versucht. Da ist kein Korn Kritik darin, im Gegenteil, dadurch dass auch noch das banalste Ding, wie beispielsweise ein Kaugummiautomat, so minutiös und mit so viel Mühe abgeschildert wird, erhält es etwas schlechthin Affirmatives. Was vielleicht gerade heute, wo wir alle unter den Auswirkungen der amerikanischen Konsumkultur zu leiden haben, doch eine sehr irritierende Erfahrung ist. Somit überzeugt der Fotorealismus vorrangig als technisches Phänomen: Man ist immer wieder erstaunt über seine Kunstfertigkeit, den Trompe-l’oeil-Effekt herzustellen, den schließlich schon die alten Griechen zu schätzen wussten. Aber darin erschöpft er sich dann auch. Außer man möchte noch hinzufügen, dass er paradoxerweise dazu beigetragen hat, die Fotografie als Kunstform zu nobilitieren. Denn manchmal führen eben sogar Sackgassen noch irgendwohin.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Picturing America: Fotorealismus der 70er Jahre
07.03 - 10.05.2009

Deutsche Guggenheim Berlin
10117 Berlin, Unter den Linden 13 - 15
Tel: 0049 (0) 30 20 20 93 0, Fax: 0049 (0) 30 20 20 93 20
Email: berlin.guggenheim@db.com
http://www.deutsche-guggenheim-berlin.de


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: