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Art Beijing 2009: Die Art Beijing 2009 entdeckt den heimischen Sammler

Es ist mehr als eine Marktkorrektur oder eine kleine Konjunkturdelle. Auf der Art Beijing, die gestern zuende gegangen ist, lässt sich beobachten, wie schnell China lernen kann. Kaum ist der Markt für die gestern noch zu irrwitzigen Preisen gehandelten Stars zum Erliegen gekommen, tun sich neue Entwicklungschancen auf. Bisher wurde ein Großteil des Umsatzes mit ausländischen Kunden gemacht – Galerien wie Pan & Wei aus Peking, die früher mit Lothar Albrecht aus Frankfurt und Michael Schultz aus Berlin zusammengearbeitet haben, nennen einen Exportanteil von bis zu 95 Prozent. Ihnen sind mit den Investmentbanken und deren Managern wichtige Kunden abhanden gekommen. Von der Art Beijing mehr noch als von der kurz vorher abgehaltenene CiGe berichten die Teilnehmer über eine genuin chinesische Sammlerschaft aus Auslands- und Festlandchinesen, die das Sammeln von Zeitgenössischer Kunst für sich entdeckt haben. Viel Geld geben Chinesen vor allem für Etabliertes aus, auch aus heimischer Produktion. Liu Xiaodong gilt als bedeutendster Vertreter traditioneller Malerei. Sein monumentales Gemälde einer Essensgesellschaft in Rom soll 30 Mio. Yuan, umgerechnet etwa 3,3 Mio. Euro bei der Galerie Tang Contemporary, Peking kosten, die auch auf drei ernsthafte Interessenten verweisen kann. Forsblom aus Helsinki vermeldet gute Umsätze für weitgehend gesicherte westliche Positionen wie ein großer Holzkopf von Stephan Balkenhol zu 132.000 Euro oder die animierten Skulpturen Tony Oursler. Arario aus Peking hat aus ihrem bunt zusammengewürfelten Angebot von Vanessa Beecroft über Gilbert & George bis zu Jonathan Meeses „Die Verschwörung des Dr. Pottsau“ gut verkauft. Am anderen Ende der Preisskala steht die gesamte Bandbreite aktueller chinesischer Kunst, die sich zunehmender Beliebtheit einheimischen Sammlern erfreut. Allerdings läuft dieses Geschäft gerade erst an. Huang Liaoyuan etwa, Direktor der Beijing Art Now Gallery, hat auf der Vernissage schon fünf Werke verkaufen können, davon vier Arbeiten Tan Qizhis zu Preisen von 10.000 bis 40.000 Yuan (circa 1.100 bis 4.400 Euro) und später eine 48-teilige Arbeit desselben Künstlers – alles an Chinesen. Das ist beachtlich, aber nicht überwältigend für einen Markt, der bislang nur Expansion kannte. Huan hat darauf so pragmatisch reagiert, wie es die meisten seiner Kollegen tun: Die Filiale in Schanghai hat er im März geschlossen – bis zum nächsten Jahr, wenn die Lage wieder besser ist, wie er glaubt. Und dass dem so sein wird, glaubt nicht nur er: Ein Erstarken chinesischer Kundschaft – egal ob vom Festland, aus Hongkong, Singapur, Taiwan oder anderen Teilen Asiens – beobachtet auch Meg Maggio von Pékin Fine Fine Arts, die hier seit den 90er Jahren handelt und damit als Galeristen-Urgestein gilt. Sie meint, der Markt in Peking sei wesentlich reifer als im Süden, einerseits wegen der langen Sammlertradition in der Hauptstadt, andererseits, weil der wirtschaftliche Abschwung hier weniger stark sei als im industriegeprägten Süden. Die ersten Monate des Jahres seien zwar schwierig gewesen, doch gehe es jetzt schon wieder aufwärts. Unter anderem eine Handvoll der niedlichen Kissenfiguren aus Marmor von Redxing Ye hat sie zu je 7.500 US-Dollar verkaufen können. Das ist gar kein schlechtes Geschäft, da die Messe recht günstig ist. Der Staat unterstützt die Art Beijing, die sich anscheinend in einen Verdrängungswettkampf mit der älteren CiGe gestürzt hat, nicht nur ideell. Dong Mengyang hatte CiGe, die traditionell Mitte April abgehalten wird, 2004 mit Partnern gegründet, aber bald darauf verlassen, um mit Art Beijing und Beijing Fine Art zwei Konkurrenten im Herbst zu starten. Das Vorziehen seiner Zeitgenossen-Messe hat Spekulationen und Hoffnungen geweckt, dass es schon nächstes Jahr nur noch eine Leistungsschau für aktuelle Kunst in Peking geben könnte. Dong wollte das weder ausdrücklich dementieren noch bestätigen, gab jedoch zu verstehen, dass er die gegenwärtige Situation nicht für ideal halte. Man darf also gespannt sein, wie sich der Marktplatz Peking in näherer Zukunft entwickelt. Wesentlich schwerer hat es zur Zeit die Fotografie. Das Medium ist immer noch nicht richtig angekommen im Reich der Mitte. Chinesen bevorzugen Malerei und haben immer noch gewisse Hemmungen bei den theoretisch beliebig reproduzierbaren Lichtbildern. Aus westlicher Sicht erstaunt das ein wenig, erscheint in abendländischen Augen das Œuvre hiesiger Maler doch nicht selten ausgesprochen seriell. Zudem hat sich in China eine klare Spartentrennung durchgesetzt, und Fotografie ist fast ausschließöich in spezialisierten Galerien zu finden. Dem trägt die Art Beijing Rechnung und hat - erstmals auf einer chinesischen Messe – eine eigene Abteilung für das Medium eingerichtet. Der inhaltlich spannendste Teil der Messe führt hingegen ein Schattendasein. Hinter einem Vorhang aus Fäden und der Bezeichnung Art Cinema verbirgt sich ein Karree mit dreißig Videoarbeiten – eine Nische im doppelten Sinn. Denn bisher gibt es hierfür in China praktisch kaum einen Markt. Die formal experimentierfreudigsten und inhaltlich mutigsten Künstler betätigen sich jedoch gerade hier. Dass alle vier an dem Projekt beteilighten Galerien einen westlichen Hintergrund haben, erstaunt nicht, zeigt aber, welch langen Weg die hiesige Szene noch zurückzulegen hat. Dass die Art Beijing sich ihrer über die reine Funktion als Marktplatz hinausgehenden Verantwortung bewusst ist, lässt hoffen. Und schon im nächsten Jahr könnte es nur noch eine Messe für Zeitgenössische Kunst in Peking geben, wenn man den Gerüchten glauben darf, die in der Szene die Runde machen.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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Art Beijing 2009
26 - 30.04.2009

National Agricultural Exhibition Center
Peking, 6, East 3rd Ring Road North Road, Chaoyang District
http://www.artbeijing.net/


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