Peter Kunitzky,
John Heartfield - Zeitausschnitte. Fotomontagen 1918-38: Auf den Schultern von Riesen
Wer ist wohl der legitime Nachfahr John Heartfields? Natürlich Klaus Staeck. Meint zumindest Klaus Staeck, aktuell Präsident der Berliner Akademie der Künste, aber vor seiner honorigen Tätigkeit – zumal in den wilden Siebzigern – ein ausgemachter Provokateur, der mit seinen Plakat- und Postkartenaktionen vor allem in bürgerlichen Kreisen für stark erhöhten Blutdruck sorgte, als er sich nämlich jüngst selbst als Ziehsohn Heartfields auswies. Und dieser hereditären Sichtweise scheint sich nun auch die Berlinische Galerie anzuschließen, denn wie anders wäre wohl der suggestive Sachverhalt zu erklären, dass man nun beiden zugleich eine Retrospektive ausgerichtet hat.
Dabei ist die Heartfield-Schau jedoch vergleichsweise klein ausgefallen, so klein, dass man geradezu von einer Rumpf-Retrospektive sprechen könnte. Und das ist umso verwunderlicher, als der Nachlass von Heartfield doch von der Berliner Akademie verwaltet wird und man die dortigen Bestände vermutlich weit extensiver hätte plündern können. So kommt es also, dass man etwa nur einer recht dürftigen Anzahl von Exponaten aus Heartfields dadaistischer Periode gegenübersteht, unter denen dann die in Kollaboration mit George Grosz erstellte Plastik „Der wildgewordene Spießer“ (1920), die das Prinzip der Collage gewissermaßen ins Dreidimensionale steigert, natürlich besonders hervorsticht. Dagegen erhält man recht ausgiebig Gelegenheit, sich an den Photomontagen zu weiden, die Heartfield von 1930 an für die kommunistische „Arbeiter Illustrierte Zeitung“ fertigte und die anfangs – im strikten, wenn nicht gar blinden Verfolg von Stalins Doktrin – vorrangig auf den politischen Kontrahenten SPD abzielten, um schließlich doch, in Erkennung der eigentlichen Gefahr, die Nazis aufs satirische Korn zu nehmen; darunter solche das kollektive Bildgedächtnis bereichernden Inkunabeln wie „Adolf, der Übermensch. Schluckt Gold und redet Blech“ oder „Der Sinn des Hitlergrußes“, die, zwar in grober, aber dafür umso treffsichereren Vereinfachung der politischen Wirklichkeiten, dem proletarischen Leser den klandestinen Zusammenhang zwischen Großkapital und der nur vermeintlichen Arbeiterpartei vor Augen stellten. Den Nexus zwischen diesen beiden Werkphasen – der dadaistisch-spielerischen bzw. der politisch-agitatorischen, die jedoch einen dezidiert anti-bürgerlichen Impetus teilen – bilden indes die vielen Buchumschläge, die Heartfield für den gemeinsam mit seinem Bruder Wieland Herzfelde betriebenen Malik Verlag gestaltete und anhand deren er, unter der Knute des Kommerzes, lernte, seine Mittel zu konzentrieren und statt auf eine verwirrende Polyfokalität auf eine eindeutige Bildaussage abzuheben. Eine Lesart, die sich mit gutem Willen auch im Ausstellungsdisplay wiederfinden lässt, die aber bereits vor langer Zeit in der einschlägigen Literatur – und das beginnt schon bei der rororo-Monographie aus den siebziger Jahren – ihren Niederschlag gefunden hat und die daher dem Bild Heartfields überhaupt nichts Neues hinzuzufügen vermag.
Letztlich mangelt es dem Ausstellungskonzept – gerade auch im Vergleich mit der durchaus überraschende Einsichten bereithaltenden Staeck-Schau, gehörig an Ambition, ja die Ausstellung wirkt eigentlich wie eine bloß brav und pflichtschuldig erledigte Aufgabe, und irgendwie könnte einen sogar der Verdacht ankommen, dass ihr Zweck gar nicht in ihr selbst liegt, sondern sie etwas ganz anderem oder jemand ganz anderem frommen soll: also tatsächlich vor allem familiäre Bande manifest zu machen und den Ziehsohn mithin in eine kunstgeschichtliche Tradition einzurücken, die nun museal beglaubigt ist.
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John Heartfield - Zeitausschnitte. Fotomontagen 1918-38
29.05 - 31.08.2009
Berlinische Galerie
10969 Berlin, Alte Jakobstraße 124-128
Tel: +49-30-789 02 600, Fax: +49-30-789 02 700
Email: bg@berlinischegalerie.de
http://www.berlinischegalerie.de
Öffnungszeiten: Mo-Sa 12-20, So 10-18 h
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