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Auswahl

Vielleicht gibt es in der Kunst auch so etwas wie ein „One-Hit-Wonder“. Den einen, gezielten Schlag mitten ins Geschehen, um den herum, vorher und nachher, sich Bemühungen ranken, aber keine Treffer. Barry Ryans „Eloise“ ist meine persönliche Nummer eins unter den One-Hits, und womöglich sind Cindy Shermans „Film Stills“, Franz Wests „Passstücke“ oder Sigmar Polkes „Höhere Wesen befahlen“-Werke ihrerseits solche kostbaren Erscheinungen. Elke Krystufeks Performance im Badezimmer, das sie anno 1994 in die Kunsthalle Wien legte, könnte auch so ein „One-Hit-Wonder“ sein. Ihre Selbstbetrachtung mit dem Vibrator bringt eine österreichische Tradition zum Höhepunkt, die von Ernst Mach ausgeht, bei Maria Lassnig ein Oeuvre ausmacht und in Wests Passstücken ihre Fortsetzung findet: eine „Analyse der Empfindungen“, die den Körper im Zentrum hat, jedoch, selten, aber wahr für dieses Land, nicht expressiv daherkommt. Umso erstaunlicher, dass sich „Jetztzeit“, die damalige Schau der Kunsthalle Wien, nicht auf der Liste der „ausgewählten Ausstellungen“ befindet, die die Galerie Meyer Kainer anlässlich von Elke Krystufeks Präsentation dort auslegt. Meyer Kainer ist, wie wir dank der letztwöchigen Enthüllungen des „Falter“ wissen, die neue Generalrepräsentanz der Künstlerin, nachdem sie sich mit Georg Kargl über finanzielle Dinge entzweite. Interessant ist, dass es nun wieder um Galerien geht, nachdem die letzten Jahre die Sammler die Sunnyboys des Betriebs waren, dass jetzt, wo die Käufer wegbrechen, die Verkäufer wieder die Aufmerksamkeit beanspruchen dürfen. Oder die Verweigerung von Aufmerksamkeit. Besagte Ausstellungsliste unterschlägt zur Gänze alles, was Elke Krystufek bei Georg Kargl jemals unternommen hatte, Solo oder im Kollektiv, inklusive der allerersten Präsentation Anfang der Neunziger noch in der seligen Galerie Metropol. Metropol ist, wie der „Falter“ es speziell „pikant“ fand, das Haus, in dem Kargl und Meyer einst gemeinsam wirkten. So gesehen hat der jetzige Wirkungsort der Künstlerin tatsächlich etwas von Frontwechsel. Und die Verweigerung von allem, was nach Kargl klingen könnte, hat etwas von Damnatio Memoriae, von Tilgung, von Bannen durch Verschweigen. „Lampe vergessen“ schrieb sich Kant täglich ins Stammbuch, nachdem er seinen alten Diener nach vielen Jahrzehnten entlassen hatte. So ähnlich müssen wir uns das mit Kargl vorstellen. Vielleicht ist es aber auch keine Absicht. Vielleicht unterliegt es nur den Launen des Zufalls und der Momentarbeit der Erinnerung. Wie sonst wäre zu erklären, dass „Jetztzeit“ nicht vorkommt auf dem Zettel? „Was soll ich malen, wie soll ich malen?“, fragt sich Gerhard Richter unter dem Datum 12. Oktober 1986 in seinem Notizbuch. Oder, am 18. Mai 1985: „Jede beliebig hinzugefügte Form ändert zwar das Bild, aber macht es nicht falscher. Wieso verbringe ich dann aber oft Wochen, um irgendetwas hinzuzufügen, wenn alles geht?“ Richter arbeitet sich ab am Anything Goes. Alles geht, und wenn alles geht, dann kann alles genau so gut anders sein. Das gilt für Bilder. Das gilt, so zeigt sich jetzt, auch für Ausstellungen.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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