Stefan Kobel,
Kampf gebiert Helden
Beim Blick auf den Teller kann man revolutionären Kräften Russlands bei der Arbeit zusehen. Das Ringen der Werktätigen um die angemessene Form spricht aus den sowjetischen Entwürfen, die seit 1918 bis in die frühen 20er Jahre auf Rohlingen der Kaiserlichen Porzellanmanufaktur Sankt Petersburg entstanden sind. Eine kleine Sammlung dieses Propagandageschirrs, das am 23. April im Heilbronner Kunst- und Auktionshaus Dr. Fischer angeboten wird, zeugt von den nicht immer gelungenen Bemühungen der frühen sowjetischen Künstler, die kommunistischen Parolen und Symbole in die traditionelle Formensprache ihres Handwerks einzupassen. Hämmer und Sicheln zwischen grünen Blättern und bunten Blüten, umgeben von ungelenken Girlanden zeichnen ein eher amateurhaftes Bild ihrer Profession und geben der Revolution einen erschreckend harmlosen Anstrich. Überzeugender sind die suprematistischen Designs aus späterer Produktion oder die emblematische Darstellung einer qualmenden Fabrik vor aufgehender Sonne. Kurios ist ein Teller von Alexandra Wasiliewna Schtschekotichina-Potozkaja aus dem Jahr 1921 mit dem deutschen Slogan „Kampf gebiert Helden“ (Lot 20 / Taxe 5.500 Euro) mit einem grünen Punkt auf der Standinnenseite, mit dem noch in vorrevolutionärer Zeit unglasierte Rohlinge gekennzeichnet wurden. Aus dem riesigen Materiallager, das die Sowjets übernommen hatten, wurde noch jahrelang geschöpft, bis die Produktion endlich wieder angelaufen war.
Mehr Texte von Stefan Kobel