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Jörg Sasse: Arbeiten am Bild: Sampling in reverse

Vor der Moderne, da gab es eine Entsprechung von Können und Konzept: All das, was die Künstler beherrschten, wollten sie auch zeigen. Es war die Epoche der Komposition, der Zusammenstellung. Die Moderne dagegen wurde bestimmt vom Prinzip des Schwarzen Quadrats: Die Künstler beherrschten viel und zeigten wenig. Es war die Epoche des Weglassens. Nach der Moderne, so sieht es aus, zieht eine Epoche des Wegnehmens ihre Kreise. Die Künstler beherrschen so viel, dass sie das Zeigen durch das Enteignen ersetzen. Ein Meister dieses Samplings in reverse ist Jörg Sasse. Der vierzigjährige Düsseldorfer, Schüler der Bechers, bürstet vorgefundenes Material so lange gegen den Strich, bis es gestriegelt und geschniegelt vor Augen steht. Gefundene Fotografien werden einem hochkonzentrierten Reinigungsbad ausgesetzt, das sie von allem Zufälligen und Alltäglichen und Vernakulären säubert. Menschen verschwinden, Bäume werden visuell umgepflanzt und Autos landen in der Versenkung. Den Fotojob besorgt Photoshop, die gnädig gestimmte Software, die heutzutage den Schöpfungsakt choreografiert: Es werde Lichtbild. In der Galerie nächst St. Stephan sind gut ein Dutzend von Sasses seit 1993 gefertigten Virtuosenstücken zu bewundern. Die Bilder stehen unter der Observanz der Tektonik, und wie es bei derlei strikten Defilees des De-Dekonstruktiven üblich ist, werden vor allem Motive, die ruhig halten, in Szene gesetzt: Architekturen, Interieurs, Landschaft fügen sich in buchstäbliche Still-Leben. Einmal sind Fahrzeuge zu sehen; konsequenterweise scheinen sie ineinander zu verschmelzen, ein endloses Band zu knüpfen, das Bewegung ins Leere laufen lässt. Sasses Bilder sind von einer kompositionellen Klarheit, die jeden Klassizisten jubeln lassen müsste. Das nämlich ist die Strategie jedes Purismus: Die Bilder werden solange diszipliniert und uniformiert, bis sie stramm stehen vor der Macht der Geometrie. Der rechte Winkel gibt den Ton an. Lebendigkeit und Vitalität ist dieser Gegenwunderwelt ausgetrieben. Dafür strotzt sie vor Ästhetizität. Diese Arbeiten sind leichter zu bewundern als zu mögen.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Jörg Sasse: Arbeiten am Bild
26.04 - 22.06.2002

Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder
1010 Wien, Grünangerg. 1/2
Tel: +43 1 5121266, Fax: +43 1 5134307
Email: galerie@schwarzwaelder.at
http://www.schwarzwaelder.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 12-18h
Sa: 11-16h


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