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Mike Nelson - Le Cannibale (parody, consumption and institutionl critique): Geometrie und Anarchie

Die Destruktion ist nicht einfach in Verruf zu bringen. Im Gegenteil. KünstlerInnen werden nicht müde, sie durch Wiederholung aufleben zu lassen. Die Form oder das System scheinen wir erst dann kennen zu lernen, wenn sie, beziehungsweise es zerstört wird. Schlussendlich wird durch Destruktion etwas Neues erzeugt. Das pervertierte Sezieren von Fußböden bis hin zu ganzen Ausstellungsräumen kommt heute oft in der Kunstpraxis zur Anwendung, zu erwähnen wären hier künstlerische Herangehensweisen von Bonvicini, Sierra oder Althamer. Dabei handelt es sich nicht um Akte der Gewalt, wie in der katastrophalen Modernität, oder um zeitgenössische Endzeitprophezeiungen, sondern es geht vielmehr um Empathie, Parodie und (Neu)Gestalten, wenn nicht letztendlich um eine neu erwachte Suche nach der begehrten vierten Dimension. Bereits Mondrian hat mit der Darstellbarkeit dieser Dimension Schwierigkeiten gehabt und wies dabei auf die Rolle des Okkultismus hin. Die Kraft der Destruktion und damit auch der exzessiven Verwirrung vermittelt die zwischen Rauminstallation und Skulptur oszillierende Arbeit des britischen Künstlers Mike Nelson (2007 für den Turner Preis nominiert). „Le Cannibale“ ist eine weiterentwickelte Version der Rauminstallation, die 1999 entstand und 2008 in der Hayward Gallery als Fortsetzung dem Kult-Horrorautor H.P. Lovecraft gewidmet war. Ein System von in Größe und Masse verschiedenen weißen Sockeln und Kästen, die mit braunen Rissen und schwarzen Löchern wie Wunden versehen einander umkreisen, gleicht im Labyrinth seiner Dialektik zwischen Ordnung und Chaos einem wüsten ruinösen Schutthaufen oder einem verlassenen Schlachtfeld. Nelsons Arbeit nimmt Bezug auf die Vergangenheit (Smithson, Matta-Clark, Barock) und die Gegenwart, Realität und literarische Fiktion (Borges). Wer die Lust verspürt zu erforschen, welche Realität sich hinter der geöffneten Materialität der weißen Kuben mit ihren dunklen Abgründen und unheimlichen klaffenden Öffnungen verbirgt, kann dies ohne weiteres tun. Was nicht immer einfach ist und manche akrobatische Pose erfordert. Der Besucher, der in abenteuerlicher körperlicher Lächerlichkeit wie von allen guten Geistern verlassen wirkt, ist vom Künstler im Radius der gegenseitigen Durchdringung der Objekt- und Subjektformen und Spekulation vermutlich vorgesehen. Statt die Webersche „Entzauberung der Welt“ bloß zu beklagen und wehmutig nach den Inseln der Magie zu schielen, hat Nelson das Unheimliche bzw. das Kannibalische im Umkehrschluss auf das unreale Ambiente einer Kunstinstitution übertragen und verdrängte Energien erfahrbar gemacht.
Mehr Texte von Goschka Gawlik

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Mike Nelson - Le Cannibale (parody, consumption and institutionl critique)
31.10.2008 - 01.02.2009

Villa Arson
06105 Nice, 20 av, Stephen Liégeard
Tel: +31-04 92 07 73 73, Fax: +31-04 93 84 41 55
http://www.villa-arson.org
Öffnungszeiten: 14 - 18 h


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