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Vermittlungsproblem

Österreich hat gewählt. Und eine Regierung hat Österreich auch. Ob das jetzt eine alte oder eine neue ist, kann ich nicht sagen. Vor lauter Ökonomie hat man das Politische in letzter Zeit ja nicht mehr so recht mitbekommen. Auf dem Gebiet jedenfalls, wo es mich, wie sagt man, persönlich betrifft, hat sich nichts geändert. Da ist die Frau Ministerin Schmied die Frau Ministerin Schmied. Als solche bearbeitet sie die Ressorts Schule und Kultur. Das hat noch nie zusammengepasst, doch wenn es eine Charakteristik der ersten Amtszeit der Frau Ministerin Schmied gibt, dann den Versuch, die beiden zueinander zu pferchen, damit sie sich paaren wie Pferd und Esel. Es sind aber Ochs und Esel, und der Wolpertinger, der alles ist, was dabei entstehen kann, ist so grotesk wie er aussieht. Unverdrossen aber wird die Kultur didaktisiert, pädagogisiert aufgeladen mit Verständnisinnigkeit. Kein „Projekt“ ohne Schulanbindung, keine Aufführung ohne Vermittlung, und schon ist der Sprung von der Pubertät zum Publikum gemeistert. Es wäre ja zu schön, die Sperrigkeit und Eigensinnigkeit, das Verschrobene und Überhobene der Moderne aufzulösen, indem man sie den Schulen andient. Das Sinnproblem wird einwattiert ins Budget. Die Infantilisierung des Kulturellen wird vollendet durch seine Einpassung in den Horizont von Kindern. Mit zunehmender Déformation professionelle versteht sich dieser Mechanismus dann als Kriterium von Qualität: Was sich nicht „vermitteln“ lässt, verdient auch keine Unterstützung. In diesem Zirkelschluss hat die Frau Ministerin Schmied ein Vermittlungsproblem. Womöglich ein ernstes. „Wissen ist Macht“: Dieser Satz von Francis Bacon steht am Anfang aller sozialdemokratischen Identität, und die Chimäre des Ministeriums der Frau Schmied ist entstanden im Tunnelblick auf dieses Diktum. Bacons Idee ist 400 Jahre alt, er hat sie gegen die Modelle der Scholastik in Anschlag gebracht, die davon handelten, dass man das göttlich Gegebene nur jeweils zu bestimmen brauchte, um es der Gegenwart dienstbar zu machen. Bacon öffnete die Neuzeit, indem er Empirie hereinließ, das Neue und die Neugier, die sich ergaben aus dem Experiment, aus der intensiven, überprüfbaren, wiederholbaren Beschäftigung mit der Natur. Mit dem, was seit 200 Jahren Kultur ausmacht, hat das nichts zu tun. „Schaffe dir Ironie und bilde dich zur Urbanität“. Friedrich Schlegel hat das vor eben diesen 200 Jahren formuliert, ein Diktum von tatsächlich gegebener Prägnanz, ein Vermächtnis an alle Ästhetik der Moderne. Ironie und Urbanität: Das wäre es. Dazu bedürfte es aber eines anderen Ministeriums. Und anderer Personen, es zu führen.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
wieder einer ...
Walter Stach | 01.12.2008 11:40 | antworten
..., dem offenbar das eigene Schul-Erleben das spätere Kunst-Erleben versaut hat: "didaktisierte", "pädagogisierte" Kunst - horribile dictu für die, denen durch die Gnade der unbefleckten Empfängnis des Auges das Himmelreich der Kunst ab Baby schon verheißen ist.

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