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Gesichter der Großstadt

Das Medienfassaden Festival 2008 im Deutschen Architektur Zentrum Berlin Hommage an die Leuchtdiode: Es macht Sinn, gerade in Berlin die Nachtstunden visuell prominent werden zu lassen, in einer Stadt, die nicht unwesentlich für ihren Party-Tourismus bekannt ist und wo ein Abend ein ganzes Wochenende dauern kann. Zwei Wochen lang bescherten 24 Künstlerinnen und Künstler der Metropole ab Einbruch der Dunkelheit leuchtende Akzente: Vier öffentliche Bauten in verschiedenen Stadtteilen wurden zur Leinwand für ihre nicht selten interaktiv veränderbaren Lichtspiele. Neben dem unlängst eröffneten Stadion, das wie so oft den Sponsor im Namen trägt und mit 300.000 LED-Lichtpunkten eine der weltweit größten „Outdoor-Medieninstallationen“ darstellt, machte ein Geschäftsgebäude in der Nähe des Hackeschen Markts von sich reden, indem hier die Außenwandbespielungen nicht nur dekorativ eingesetzt, sondern die Bewegungsströme aus der Umgebung visuell übersetzt wurden. In einem alten Industriegelände hingegen befindet sich der Schöneberger Gasometer, auf dessen Display die Befindlichkeiten der Menschen in der Hauptstadt in Form von Bildern, Texten sowie Piktogrammen ausgestrahlt wurden. Das vor einem Jahr neu bezogene Quartier des ungarischen Kulturinstituts war schließlich die Adresse für die stärker künstlerisch ausgerichteten Beiträge: Die auch architektonisch allemal geeigneten Bedingungen nutzt etwa Nika Radic, indem sie einen illusionistischen Fensterblick gewährt und mit „Office Cleaning“ das gemeinhin unsichtbar bleibende Geschehen im Innenraum nach außen hin öffnet. Das Kollektiv N-Solab interpretiert das Fenster hingegen als Auge und simuliert dessen REM-Phase in Anlehnung an Moholy-Nagys abstrakte Experimente („AREYEM“). Unter dem Label „experimentcity“ wurde die Transformation einer Graffiti-Botschaft ins Digitale vollzogen und an mehreren Dutzend Terminals konnte man schließlich auch selbst eingreifen und mithilfe eines Touchscreens die Fassade des Instituts temporär gestalten. In den Räumlichkeiten des Berliner DAZ ist ergänzend eine Ausstellung zu sehen, die internationale Beispiele meist aufwendiger Medienfassaden jüngeren Datums versammelt. Die Auswahl der gezeigten Bauprojekte traf der Wiener Kurator Gernot Tscherteu, der er ebenso einige Material-Samples beifügte, um die einzelnen Bestandteile aus der Nähe erfahrbar zu machen. Die Präsentation der architektonischen Lichthüllen mittels Leuchtkästen mag hier logisch erscheinen, wirklich konsequent sind allerdings eher die (leider nur in wenigen Fällen ebenso angebrachten) Animationen, die nicht nur einzelne Momentaufnahmen, sondern eine ganze Sequenz wiedergeben. Dieser Umstand ist letztlich symptomatisch für die hier gewählte Herangehensweise, die mehr auf die technischen Hintergründe fokussiert als auf die künstlerischen Potenziale dieser „neuen Ausstellungsformate“, wie es im Programmtext heißt. So war der Anspruch, deren Funktion als urbanes, kommunikatives Element zu erforschen, primär einer Konferenz vorbehalten, die auch im Rahmen des Festivals stattfand. Ob nun opulente Flagshipstores diverser Luxusmarken, das Kunsthaus Graz oder das temporär angelegte, mitten in ein historisches Ensemble sich fügende Projekt Mediamesh® auf der Mailänder Piazza del Duomo – die Fassade ist immer Repräsentation, ja Gesicht des Gebäudes, wie die Etymologie uns verrät. Und diese Thematik in einer Stadt aufzugreifen, in der schon seit einer gefühlten Ewigkeit der schwelende Konflikt um die Außengestaltung des ohnehin kontroversen, neu zu errichtenden Stadtschlosses die Gemüter erhitzt, scheint auch als noch so peripherer Kommentar verdienstvoll. Wenngleich er als konstruktiver Beitrag wohl kein Gehör finden wird. Im Übrigen soll Ende der Woche eine Entscheidung über die Schlossfassade fallen.
Mehr Texte von Naoko Kaltschmidt

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