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Kolonialismus

„Arte“, der Sender, der Abermillionen von Zusehern unverblümt in die Herzen blickt, traf vor einigen Tagen wieder einmal den Punkt. „Nur die Sonne war Zeuge“ wurde zu obligatorisch kundenfreundlicher Zeit um ein Uhr nachts gegeben, die Geschichte, wohin es kommen kann mit der Gier. Alain Delon reisst sich eine Existenz unter den Nagel, indem er deren Vorbesitzer umbringt, dessen Geld und fast auch noch dessen Freundin übernimmt, um dann doch, in allerletzter Minute, erwischt zu werden. Die Schlussmetapher mit der Leiche, die am Seil hängt, das um die Bootsschraube gewickelt ist, stellt sich in ihrer Verstrickung fast zu schön dar. Der heilige Hunger nach Gold. Die Finanzkrise, in die wir alle verstrickt sind, scheint momentan ja so etwas wie einer anthropologischen Konstante zu folgen. Der Mensch, das Giertier, ist wieder einmal ertappt worden bei einem seiner instinktiv-infernalischen Raffzüge. Und die Zivilisation, deren deutlichster Sinn darin besteht, dem Menschen auf die Finger zu klopfen, wenn er so gerne sein will, was er eben ist, diese Zivilisation hat wieder einmal versagt. Doch es ist Geschichte und nicht Natur, und es ist Gegenwart, konkreter, politischer Status Quo, der sich hier zeigt. Auch dabei hat „Arte“ in seiner Weisheit das Richtige getroffen. Der Typ, den Alain Delon spielt, heisst nämlich Tom Ripley, und er ist im Film wie sein Opfer und wie auch Patricia Highsmith, die Autorin der Buchvorlage, im richtigen Leben von einschlägiger Herkunft. Die Gier, die sich hier geltend macht, entspringt dem amerikanischen Jahrhundert. Und die Zivilisation, die versagt hat, ebenso. Wir haben uns angewöhnt, die Globalisierung für alles verantwortlich zu machen. Eine Globalisierung, die die Inder und die Chinesen aufkommen lässt, damit sie uns überschwemmen mit Fälschungen und findigen Köpfen. Jetzt stellt sich heraus, dass Globalisierung nichts anderes ist als die Bereitschaft, den Amerikanern, die gerade ihre zehnte Billion an Schulden absolviert haben, ihr Prassen zu ermöglichen. Und nichts anderes als die Beflissenheit, es ihnen nur gleich nachzumachen. Diese Globalisierung ist eine ganz alte, es ist die Kolonialisierung. Wie wohlfeil haben wir uns eingerichtet als Kolonisierte. Was haben wir es uns gefallen lassen, dass wir alle englisch reden, nur weil der amerikanische Künstler partout in seinem Idiom sagen wollte, was man gemeinhin so sagt. Wie haben wir auf Fleisch verzichtet, weil es für den amerikanischen Freund vegetarisch sein musste, oder die Pärchen auseinandergesetzt, weil es für die amerikanische Freundin lesbisch sein musste. Wie brav haben wir den größten Schwachsinn der Menschheitsgeschichte, die Bachelor-/Master-Regelung an den Universitäten, beherzigt. Wie gekonnt spielten wir alle Apportieren. Darf es damit jetzt vorbei sein?
Mehr Texte von Rainer Metzger

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