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XV. Rohkunstbau "Drei Farben - Rot": Erröten statt Erörtern

Zu Jahresbeginn hatte die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten unerwartet eine Absage für den früheren Austragungsort von Rohkunstbau erteilt, und so könnte man, nachdem die finale Ausgabe der auf drei Teile angelegten Schau fast nicht zustande gekommen wäre, das Gelingen an sich schon als Erfolg bezeichnen. Alles weitere zu würdigen gestaltet sich dann allerdings schon schwieriger. Die viel beschworene Ortsspezifik – das proklamierte Rahmenwerk des Rohkunstbaus – fiel wohl schon mal dem unfreiwilligen Wechsel der Lokalität zum Opfer, erschließt sich doch kaum ein Konnex der gezeigten Werke zum kurzfristig ausgemachten Austragungsort, der Villa Kellermann; und das, obwohl deren Namensgeber, der Schriftsteller Bernhard Kellermann (1879-1951) sowie die Räumlichkeiten durchaus spannungsreiche Anknüpfungspunkte bieten: Kellermann verfasste nach Anfängen als Kriegsberichterstatter und Erfolgen als Romanautor unter den Nazis Trivialliteratur, zu DDR-Zeiten war er Abgeordneter der Volkskammer und mitbeteiligt an der Gründung des Kulturbundes, der die besagte Villa übernahm. Und Potsdam als geschichtsträchtiger Ort und die gegenwärtigen gesellschaftlichen Veränderungen in der Region hätten wohl Zündstoff für eine Ausstellung geliefert, die sich Solidarität zum Thema gemacht hat. Die Zeitnot mag Grund gewesen sein, warum solcherart Bezüge schlichtweg nicht zu finden sind. Doch unverständlich bleibt, dass auch die Auswahl, die Präsentation und nicht zuletzt die Intention völlig beliebig erscheinen. Wie bereits in den beiden Jahren zuvor handelt es sich um eine – äußerst lose – Referenz auf Krzysztof Kieslowskis Filmtrilogie „Drei Farben – Blau, Weiß Rot“, die jedoch wenig mehr als im Titel eine Rolle spielt. Zum Thema der rot konnotierten Brüderlichkeit passt eigentlich auch das Jubiläum der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die vor 60 Jahren verabschiedet wurde; hierauf bezieht sich die Ausstellung zwar, jedoch nur in einer kurzen Erwähnung im Katalog. Des Weiteren schmückt man sich mit der Schirmherrschaft eines José Manuel Barroso, doch auch dies kaum mehr als eine ausdrucksarme Geste. Die einzelnen Positionen wirken disparat und kaum in Dialog gesetzt. Vermutlich, weil die Farbe Rot „eine große Vielfalt von Wirklichkeiten und potenziellen Ausgangspunkten“ anbietet – allzu groß, möchte man hinzufügen. Denn eine derartige Offenheit lässt schließlich jede Stringenz vermissen. Auch wenn die Beiträge mitunter für sich überzeugen können, so hat dies kaum etwas mit jenem größeren Zusammenhang zu tun. Grafiken von Richard Hamilton werden etwa leitmotivisch vorgestellt, mit der Begründung, dass Pop Art und speziell das Druckverfahren den Status des Kunstwerkes maßgeblich beeinflussten, was mit den Utopien der 60er Jahre verbunden wird. Mit „The Odd Couple“ (2008) vollzieht Jonathan Monk selbst einen Rekurs auf die Vergangenheit, indem er angelehnt an Felix Gonzalez-Torres zwei Uhren derart gegenüberstellt, dass ihre Funktion, das Anzeigen der Zeit, ad absurdum geführt wird und lediglich akustisch im (asynchronen) Stundenschlag zum Tragen kommt. Guy Ben Ner führt in „Stealing Beauty“ (2007) in schwedischen Einrichtungshäusern mit der eigenen Familie durchaus charmante Konsumkritik auf. Die übrigen Arbeiten sind höchstens medioker, sodass auch die Begleittexte nicht mehr als verzweifelte Erläuterungen wie „Es bleibt viel Platz für eigene Gedanken“ zu Hilfe stellen. Irgendwann sieht man dann einfach (zu viel) rot.
Mehr Texte von Naoko Kaltschmidt

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XV. Rohkunstbau "Drei Farben - Rot"
13.07 - 05.10.2008

Villa Kellermann
14467 Potsdam, Mangerstraße 34-36
Tel: +49 (0)30 - 48 62 08 00, Fax: +49 (0)30 - 48 49 05 75
Email: info@rohkunstbau.de
http://www.rohkunstbau.de
Öffnungszeiten: Donnerstag und Freitag 14 - 19 Uhr
Samstag und Sonntag 12 - 19 Uhr


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