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Mary Ellen Carroll - Semblable: Zweierlei Identitäten

Die bereits vierte Ausstellung der Konzept-Künstlerin Mary Ellen Carroll in der Galerie Winter überzeugt mit ihrem Reichtum an literarischen Referenzen und einer Dichtheit wie ein Thriller. Aber das ist nur der Schein, ein Teil des Versteckspiels der New Yorker Künstlerin mit dem Publikum und mit ihrer Identität als eine (weiße) Künstlerin, die in einer postamerikanischen Welt lebt und arbeitet. Die nachdrückliche Formensprache ihrer Siebdruck-Porträts, die anonyme Farbige pixelartig abbilden und Neontexte, die eine feste Handschrift verraten, tarnt Lyrik und Fragilität sowie den plötzlichen Übergang von der farbintensiven, maskulinen Makro- in die aschengraue Mikrowelt der Kunstproduktion. Wie eine Regisseurin arrangiert Carroll ihre Show der phantomischen Kunstwerke im Reich ihrer Doppelgänger und Imitate. Ihre künstlerische Vorgangsweise hat etwas Filmisches an sich. Sie ist die Erfüllung dessen, was im Leben als defizitär oder unmöglich gilt. Die zwei dominanten Neonarbeiten „ME LIKE BLACKS“ und „BLACKS LIKE ME“ stehen primär mit dem Ausstellungstitel Semblable (das Gleiche, mein Doppelgänger) in Verbindung, die Bezeichnung, die Baudelaires Gedicht aus seinem Roman “Die Blumen des Bösen” entnommen ist. Die sprachlichen Idiome stellen ihre Entität gegenseitig in Frage und es mag sein, dass diese radikale Identität der Gegensätze die Besonderheit der Kunst und ihrer Subjekte heute definiert. Neben der Praxis der Fiktionalisierung, Enthüllung und Verhüllung beschäftigt sich Carroll auch mit der Physikalität des Begriffs des Originals, indem sie desser Auflösung und Verklärung zu einer eingeständigen Form des „Theaters des Todes“ inszeniert. In dem zu einem 16 mm Film verarbeiteten Material zeigt sie stimmungsvoll die Verbrennung einer ihrer Zeichnungen auf Long Nook Beach. Eine Kopie als Druck der vernichteten Textarbeit und die aus ihrer Asche und Kohle angefertigten abstrakten Zeichnungen als Neuschreibung der Gedanken werden nebeneinander ausgestellt. Am Eröffnungsabend ist die Künstlerin in Gestalt eines schwarzen Musikers aufgetreten, der kurz die Basstuba spielte. Die Performance und die Reinheit vermittelnde blasse Oberfläche einer kleinen Büste aus Weichplastik (unverkäuflich), in der sich die Künstlerin selbst in der Rolle des Dichters/Künstlers/Modells neu erfindet, manifestieren ihr feines Gespür für die Verwertungen und Tauschwerte im gesellschaftlichen Identitätsuniversum.
Mehr Texte von Goschka Gawlik

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Mary Ellen Carroll - Semblable
12.09 - 11.10.2008

Galerie Hubert Winter
1070 Wien, Breite Gasse 17
Tel: +43 1 524 09 76, Fax: +43 1 524 09 76 9
Email: office@galeriewinter.at
http://www.galeriewinter.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 11-18h
Sa 11-14h


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