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„My concern was catching the heartbeat of people“

Sein Name steht für einen engagierten Bildjournalismus, der Ästhetik und Ethik zu verbinden versteht, Ernst Gombrich nannte ihn begeistert einen Humanisten. Hinzu kommt als historischer Meilenstein die Gründung der ersten unabhängigen Foto-Agentur MAGNUM (1947), gemeinsam mit Robert Capa, David Seymour und George Rodger. An erster Stelle aber werden wohl immer die Bilder selbst stehen, die durch ihre unmittelbare Wucht bestechen und in denen sich Cartier-Bressons aufmerksamer, anteilnehmender Blick, aber auch seine formale Sensibilität offenbaren. Für Cartier-Bresson (1908-2004) bedeutet die Fotografie eine Art zu leben. Mit ihr wird der Künstler weltberühmt, doch sein Interesse gilt ebenso der Zeichnung, der Malerei und auch dem Film. In Jugendjahren entfacht ein Foto von Martin Munkácsi seine Begeisterung für die Möglichkeiten dieses Mediums, später steht er unter dem Einfluss des Surrealismus, studiert Malerei bei dem kubistischen Künstler André Lhote und dem Porträtisten Jacques-Émile Blanche. Im Zuge seines Militärdienstes beginnt er dann zu fotografieren, es folgen Expeditionen nach Europa, Afrika, Mexiko, in die USA, später auch nach Asien, bald werden seine Arbeiten ausgestellt. Doch Mitte der Dreißigerjahre wendet er sich – inspiriert von Paul Strand – dem Film und damit dem Regisseur Jean Renoir zu, auf dessen „Suche nach märchenhaften Elementen in einer höchst banalen Alltagswelt“ auch er sich begibt, und assistiert bei zwei Filmen, in denen er sogar kleine Rollen übernimmt: Während Luchino Visconti bei „Une partie de campagne“ (1936) für die Kostüme zuständig ist, hat Cartier-Bresson einen kurzen Auftritt als Seminarist neben Georges Bataille, ebenso taucht er in „La Règle du jeu“ (1939) auf. In der Zwischenzeit entstehen in Spanien seine ersten eigenen Filme: Im Kommentar (etwa von Georges Sadoul) bezeugen „Victoire de la vie“ (1937) und „L’Espagne vivra“ (1938) eine eindeutig kommunistische Stoßrichtung, die visuellen und szenischen Ideen Cartier-Bressons aber fallen differenzierter aus, sein Verdienst ist es, dass trotz anklagendem Gestus immer auch eine Möglichkeit von Hoffnung bleibt. Selbst nach drei Jahren deutscher Gefangenschaft (und erfolgreicher Flucht) wirken seine Aufnahmen für „Le Retour“ (1944-45) kaum plakativ, sondern vermitteln mit Gespür seinen eigenen bitteren Erfahrungsschatz. Der Vergleich mit der berühmten Fotografie „Im befreiten Lager Dessau. Eine Frau erkennt eine Gestapo-Gehilfin, von der sie denunziert worden ist“ (1945) mit der gleichen Szene als filmischer Sequenz verdeutlicht eindringlich Cartier-Bressons Auffassung von Fotografie als Messerstich (das Zeichnen hingegen versteht er als Meditation): Dieser isolierte Moment steigert das Geschehen zu einer bleibenden, bildgewaltigen Ikone. Auch die zwei späteren Filme „California Impressions“ und „Southern Exposures“, beide entstanden 1969/1970 für das US-amerikanische Fernsehen, finden eine sympathisch unaufdringliche Bildsprache, lassen aber jene visuelle Prägnanz vermissen, die man von Cartier-Bressons Fotografien kennt. Für Klaus Honnef ist er „ein unbestrittener Meister des Einzelbildes: eben jenes einen Bildes, in dem sich die unterschiedlichsten und widersprüchlichsten Gegebenheiten des Sichtbaren in pointierter Form verdichten“. Die nun vorliegende DVD-Edition bietet neben seinen filmischen Werken auch eine Auswahl an Filmen über Cartier-Bresson, die jüngste Dokumentation von 2003, die älteste aus dem Jahre 1967. Aufgrund dieser Zeitspanne finden sich nicht nur Überschneidungspunkte, sondern – weitaus interessanter – ebenso Abweichungen, die das Bild seiner Person immer wieder relativieren. Hinzu kommt, dass Cartier-Bresson sich unzweifelhaft hinter der Kamera wohler fühlt als davor, es entstehen zwar einige sehr berührende, intime Momente, manchmal aber kommt auch eine gewisse Abwehrhaltung ans Licht, sodass er schon mal die Bedeutung des vielzitierten „instant décisif“ provokativ in Frage stellt – „eine bewegte und kontrastreiche Realität zu erfassen“ (Serge Toubiana), das ist schließlich auch seine Gabe.
Mehr Texte von Naoko Kaltschmidt

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