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Duane Hanson - Sculptures of the American Dream: Die Hölle in mir

Hätte Duane Hanson (1925–1996) dieses annus horribilis, das nicht nur die amerikanische Wirtschaft an den Abgrund einer Rezession gebracht hat, noch erlebt, er wäre als Künstler wohl schlechterdings begeistert gewesen angesichts der Vielzahl derer, die da so plötzlich vor dem Nichts standen, also – nach der Chronologie der Krise – all jener obdachlosen Häuselbauer, kopflosen Investmentbanker, arbeitslosen Autohersteller etc. Denn die ökonomische Katastrophe hätte ihm einen schier unerschöpflichen Fundus an neuen Verliererfiguren beschert; und Hansons Arbeit hob schließlich immer auf das Porträt von Menschen ab, deren Traum vom american way of life – gleichsam wie eine kleine, private Spekulationsblase – unwiderruflich geplatzt ist. Und so betreten wir auch bei dieser ungefähr 30 Arbeiten versammelnden Retrospektive, nachdem wir mit „Abortion“ (1965) und „Trash“ (1967) zwei eindringlichen Beispielen aus seiner frühen, sozialkritischen Phase passiert haben, in denen der Appell des Künstlers, den Blick zu schärfen und tunlichst die Oberflächen zu durchdringen, beinahe noch einen buchstäblichen Ausdruck findet, eine Welt, wie sie trauriger kaum sein könnte; genauer eine Unter-Welt, eine Hölle der Eigentlichkeit, bevölkert von durchschnittlichen Vertretern der amerikanischen Mittel- und Arbeiterklasse (vom jungen Skateborder über die mittlerweile ikonisch gewordene Putzfrau „Queenie“ bis zu den besondere Leere ausströmenden Rentnern), die einsam und isoliert, in sich gekehrt und zumeist tatenlos in ihrer Existenz geradezu erstarrt sind; und insofern auch eine Nach-Welt, weil das Personal hier nicht wie in der Kunst der Alten – wir denken beispielsweise an die ehrwürdige Historienmalerei – auf dem Höhepunkt irgendeiner Handlung, von dem aus das Davor und das Danach einleuchtet, ins Auge gefasst wird, sondern post festum angehalten wird, in einem Zustand des Zu-spät: Wir begegnen in Hansons Werk mithin stillen Überlebenden ihrer persönlichen Katastrophe, Prototypen des amerikanischen Loosers, die beim pursuit of happiness, beim gesellschaftlichen Wettlauf um Glück und Erfolg, letztlich auf der Strecke geblieben sind. Ein Wettlauf im Übrigen, den, wie Hanson mittels des mitunter karikierenden und folglich Klischees erzeugenden Einsatzes von Kleidung und Requisiten deutlich macht, die Menschen von vorneherein auf falschen Bahnen angehen, da sie den unerfüllbaren Verheißungen der Warenwelt leichtfertig Glauben schenken. Der Gefahr, seine Schöpfungen aber grosso modo bloß als fehlgeleitete Konsumidioten abzutun, wehrt Hanson jedoch, indem er ihnen auch Innerlichkeit verleiht, ihnen sozusagen Seele einhaucht. Ein aufmerksamer, sich nicht vom ersten satirischen Anschein blenden lassender Betrachter wird nämlich leicht feststellen, dass die Figuren uns sämtlich entrückt sind, sie jede Verständigung dadurch verweigern, dass sie ihren Blick unverwandt nach innen gehen lassen: ein Kunstgriff, der die potentiellen Stereotypen unweigerlich wieder zu Individuen gestaltet, die unbedingte Empathie verdienen und unser Mitgefühl adressieren; ein Kunstgriff aber auch, der sich mit der Zeit doch merklich abnutzt, nämlich dann, wenn wir wie hier gleich einem ganzen Heer an verlorenen Seelen gegenüberstehen, die alle zugleich unsere Anteilnahme fordern; wie ja überhaupt ein so gehäuftes Auftreten der Figuren ihrer Wirkung einigen Abbruch tut, weil sich die Überraschung, der Schrecken, die Ungewissheit und der Zweifel über die Konsistenz/Existenz dieser eigentlich aus Glasfaser und Polyesterharz gefertigten hyperrealistischen Gestalten – also die (zeitlich) primäre Sensation dieser Kunst – doch allmählich erledigen. Und so stellt sich hier am Ende geradezu das Gefühl ein, irgendwie durch einen Roman von Richard Yates zu wandeln, der ebenso die große amerikanische Desillusionierung zu schildern versuchte, aber dabei zum Glück nicht vergaß, die Szene mit einem verzweifelten Humor zu imprägnieren, der doch alles ungleich erträglicher macht; oder sich sogar bei einer Abart von Madame Tussauds zu wähnen, nur dass hier eben nicht die Gewinner, sondern die gesellschaftlichen Verlierer elendiglich herumgeistern.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

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Duane Hanson - Sculptures of the American Dream
07.09.2008 - 01.03.2009

Kunsthalle Krems
3500 Krems, Franz-Zeller-Platz 3
Tel: +43-2732 90 80 10, Fax: +43-2732 90 80 11
Email: office@kunstalle.at
http://www.kunsthalle.at
Öffnungszeiten: Di - So und Mo wenn Feiertag 10-18 Uhr; in den Wintermonaten 10-17 Uh


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