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Frieze 2008 und ihre Satelliten: Selters statt Sekt

Auch in London wird jetzt nur noch mit Wasser gekocht. Die einst hipste Kunstmesse Europas, die seit ihrer Gründung 2003 nur den Boom kannte, wird erwachsen und muss einsehen, dass nicht immer nur Party sein kann. Die Teilnehmer nehmen das ersatunlich gelassen zur Kenntnis. Die Galerien haben sich schon im Vorfeld auf das unvermeidliche Abflauen der Kauflaune eingestellt und zwei verschiedene Strategien entwickelt. Viele Großgalerien, vor allem die Amerikaner, aber auch die Lokalmatadoren Lisson und Hauser & Wirth oder Ropac aus Salzburg/Paris, aber auch Contemporary Fine Arts aus Berlin haben eher einen hochpreisigen Gemischtwarenladen aufgebaut, darauf kalkulierend, dass bei der Vielfalt schon etwas gehen würde. Auf spektakelige Inszenierungen hat selbst White Cube aus London verzichtet, die in letzten Jahren immer für Menschenaufläufe gesorgt hatten. Heuer gab es lediglich eine Buchsignierstunde mit Jake Chapman. Zwar ging bei der Lisson Gallery aus London noch am Eröffnungstag eine Skulptur von Anish Kapoor für 875.000 Pfund in die USA und ein Großformat von Subodh Gupta wurde bei Hauser & Wirth für 450.000 Euro netto an einen nicht „deutschsprachigen großen Sammler vom Kontinent“vermittelt - doch „die Jäger sind nicht mehr unterwegs“, wie Christian Nagel aus Köln/Berlin konstatiert. Amerikaner machten sich bis auf die üblichen Großsammler jedoch rar. Das war erwartet worden, und daher verlassen sich viele jetzt lieber auf die nicht ganz so potenten, aber konstanten Vertreter der Institutionen. Die Tate Gallery etwa hat nicht nur bei Nagel ein Video von Andrea Fraser aus einer 5er-Auflage für 35.000 Euro gekauft, sondern auch gleich noch fünf weitere Kollegen beglückt. Judy Lybke von Eigen und Art aus Berlin und Leipzig setzt schon seit Jahren auf Einzelpräsentationen, was aktuell gleich drei Banken honoriert haben. So bekommt der Besucher einige interessante Positionen zu Gesicht, vor allem bei kleineren einheimischen und bei deutschen Galerien. Wenn Abschwung bedeutet, dass wieder mehr Inhalte zu sehen sind als glitzernde Oberfläche, kann das langfristig dem Markt nicht schaden, so der etwas trotzige einhellige Tenor selbst bei den Ausstellern. Wirklich Schaden dürften allerdings einige der Satelliten nehmen, die in der Vergangenheit erstens zu zahlreich waren und zweitens vor allem vom Abschöpfen frei flottierenden Geldes lebten, dass eine junge reiche Partygemeinde unbedingt in Kunst wollte, ohne sich über diese allzuviel Gedanken machen zu müssen. Die im letzten Jahr dank organisatorischer Fehlleistungen unbedeutende Year 07, war als Year 08 ebensowenig angetreten wie die kurzfristig abgesagte Bridge. Der Neuling Red Dot dürfte mit seinem Angebot zwischen Selbstvermarktern und Kunsthandwerk verdientermaßen in London keine Neuauflage beschieden sein, und die von französischen Künstlern organisierte und von deren Galeristen finanzierte So Feucking French wird wohl ein ganz amüsantes Intermezzo bleiben. Für die in Lord's Cricket Ground nun auch endlich organisatorisch etablierte Scope wird es jedoch ebenfalls eng. Nicht nur ist das Angebot nach wie vor sehr heterogen. Auch der Besucherzuspruch ließ sehr zu wünschen übrig. Eindeutiger Gewinner ist die Zoo, die ihre Zelte in der Royal Academy of Arts aufgeschlagen hat und sich dem Renommee der altehrwürdigen Institution durchaus würdig erweist. Vor allem die Mischung aus jungem Szenepublikum, Sammlern und Museumsleuten bietet das Bild, welches zum Bild einer Off-Messe dazugehört. Eva Winkeler aus Frankfurt ist entsprechend angetan: “Ich habe in meinem Leben noch nie so viele Kuratoren auf einmal gesehen.” Er ist einer der wenigen, die an einheimische Sammler verkauft haben. Amerikaner machen sich allerdings auch hier rar, wie man bei Arriata, Beer aus Berlin bemerkt, wo bisher auf den europäischen Kontinent verkauft wurde. Markus Ritter von Ritter Zamet aus London übt sich in betont lässiger Bescheidenheit: Bisher seien nur Kleinigkeiten verkauft, eine Handvoll Zeichnungen von Moriceau + Mrzyk zu Preisen zwischen 700 und 2.000 Pfund. Wenn das der Abschwung, kann es ja so schlimm nicht sein.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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Frieze 2008 und ihre Satelliten
16 - 19.10.2008

Frieze Art Fair
NW1 4RY London, Regent`s Park
Tel: + 44 (0)20 7025 3970, Fax: +44 (0)20 7025 3971
Email: info@friezeartfair.com
http://www.friezeartfair.com


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