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Mit tanzendem Auge

Nach Maya Deren nun Marie Menken. Die österreichische Filmemacherin Martina Kudlácek dürfte nicht nur ein augenkundliches Faible für die amerikanische Avantgardefilmszene haben, sondern ebenso ein Bedürfnis, die vergleichsweise wenig bekannten weiblichen Pionierleistungen nun endlich in angemessener Weise zu würdigen: Als Fußnoten der Filmgeschichte bezeichnete sie einmal ihre Arbeiten, doch lässt dieser archivarische Impetus nie ihre Neugier und Faszination für Persönlichkeit und Werk dieser Ausnahmekünstlerinnen vermissen, im Gegenteil. Neben dem sensiblen Verständnis für die filmische Materialität garantiert die Tatsache, dass Kudlácek über Jahre im legendären Anthology Film Archive forschte, zudem die persönliche Nähe und einen unbeschwerten, sehr vertrauten Umgang mit prominenten Zeitgenossen wie Kenneth Anger, Peter Kubelka oder Jonas Mekas. Ein weiterer nicht Unbekannter ist Gerard Malanga, dem wir mit der Filmemacherin beim unmittelbaren Sichten von wieder gefundenem Material begegnen: Er nennt es „duel of the bolexes“, wenn Menken (1909-1970) und ein sehr junger Warhol sich auf einem Dach auf spielerische Weise gegenseitig filmen – eine wunderschöne Szene, ein intensiver Moment. Die in New York geborene Tochter litauischer Immigranten war es, die Warhol das Filmemachen näherbrachte (später spielte sie mehrmals in seinen Filmen mit, etwa auch in „Chelsea Girls“), so wie sie auch für viele andere entscheidende Impulse gab. „Marie war eine der ersten Filmemacherinnen, die mit der Kamera improvisierte und schnitt, während sie drehte. Sie filmte mit ihrem gesamten Körper, ihrem gesamten Nervensystem. Man spürt Marie in jeder Einstellung, wie sie den Film aus winzigen Teilen und durch Bewegung konstruiert. Es sind diese Bewegung und der Rhythmus, die so viele von uns aufgriffen und später in unseren eigenen Werken weiterentwickelten“, so Mekas. Marie Menken war nicht nur mit dem Autor und Literaturprofessor Willard Maas verheiratet, deren Verbindung nicht unwesentlich in Edward Albees „Who’s Afraid of Virginia Woolf“ Eingang gefunden haben soll, sondern war (neben Tätigkeiten am Guggenheim Museum, dem Times Magazine oder in einem Filmstudio für Special Effects) in erster Linie bildende Künstlerin, die auch einige Male bei Betty Parson, der Grande Dame des Abstrakten Expressionismus, ausstellte. „Filmemachen war eine natürliche Entwicklung während meiner Beschäftigung mit Malerei, da es mir vorwiegend darum ging, Licht festzuhalten, und dessen Effekt auf strukturierten Oberflächen, dessen glänzendes Leuchten in der Finsternis sowie die Betonung von nebeneinandergestellten Farben, die Beharrlichkeit des Blicks und Erschöpfung der Augen“, lautet Marie Menkens Auffassung dieser beiden Betätigungsfelder. Das kaleidoskopische Arrangement der bloß bruchstückhaften Überlieferungen über diese so schillernde, aber auch tragische Figur umfasst Aufnahmen von Menken bei ihrer künstlerischen Arbeit, Ausschnitte aus ihren Filmen, die sie selbst lange nur im privaten Rahmen zu zeigen wagte sowie eine Spurensuche in der Gegenwart; dabei erweist Kudlácek der Porträtierten visuell ihre Reverenz, indem sie deren Filmbilder in ihrer pulsierenden Farbigkeit aufleben lässt, während sie die eigens gedrehten Sequenzen, die im Übrigen feinsinnig mit Menkens Motiven und ihrem zartem Blick fürs Detail korrespondieren, in Schwarzweiß belässt. „Arabesque for Kenneth Anger“ etwa ist eine atemberaubende Version der Alhambra: flirrende Farbchoreografien, die sich rhythmisch herantasten an das Ornament, aber auch verschiedenste Lichtstimmungen poetisch einfangen. Von Menkens zwischen 1945 und 1968 entstandenen 18 Kurzfilmen findet sich dieser gleich zweimal auf der nun vorliegenden DVD (mit zwei verschiedenen Vertonungen), drei weitere konnten ebenfalls gewonnen werden – wichtige Fußnoten zu wichtigen Notizen, nachhaltig und eindrucksvoll darüber hinaus. Notes on Marie Menken - Martina Kudlácek NOTES ON MARIE MENKEN / A 2006 bw & color 97 min Mit: Kenneth Anger, Stan Brakage, Peter Kubelka, Alfred Leslie, Gerard Malanga, Jonas Mekas, Joseph J. Menkevich, Billy Name, Mary Woronov Original-Musik: John Zorn www.index-dvd.at
Mehr Texte von Naoko Kaltschmidt

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