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Vanity Fair Portraits: Photographs 1913–2008: Those were the days

Selbst angesichts der Tatsache, dass es sich bei jener Ausgabe, in der Jennifer Aniston über die Trennung von Brad Pitt sprach, um die meistverkaufte handelt, steht wohl außer Frage, dass dieses traditionsreiche Blatt maßgebliche Impulse gesetzt hat, sei es nun soziokulturell, in Modebelangen oder eben auch im Hinblick auf die Porträtfotografie. Der U.S.-amerikanische Verleger Condé Nast erwarb die ursprünglich britische, bereits seit 1868 bestehende Wochenzeitschrift mit dem wunderbaren, auf William Makepeace Thackerays Gesellschaftssatire rekurrierenden Titel und bescherte „Vanity Fair“ 1914, was man heute einen Relaunch nennen würde. Nach Anfangsschwierigkeiten gelang ein Glücksgriff, der dem Magazin bald Erfolg und Relevanz verschaffen sollte: Nast engagierte Frank Crowninshield, der eine Plattform für das zeitgenössische Literaturgeschehen installierte. Dorothy Parker veröffentlichte ihr erstes Gedicht, F. Scott Fitzgeralds frühe Werke fanden ebenfalls Eingang in die Zeitschrift, in einer einzigen Ausgabe von 1923 erschienen sogar Texte von Djuna Barnes, T.S. Eliot, Aldous Huxley und Gertrude Stein zugleich. Hinzu kam, dass „Crownie“ ein Kunstsinniger war, mitbeteiligt an der Armory Show und später an der Gründung des MoMA, er sammelte darüber hinaus und zeigte etwa Arbeiten von Matisse und Picasso im neuen Magazin, viel früher als andere. Für die Fotografie wurden Größen wie Cecil Beaton, George Hoyningen-Huene, Martin Munkácsi oder Man Ray engagiert. 1936 aber kam es im Zuge der Weltwirtschaftskrise zum vorläufigen Ende dieser goldenen Zeiten, die ebenfalls von Nast herausgegebene „Vogue“ übernahm quasi die „Vanity Fair“, die erst 1983 ihre Wiederbelebung erfahren sollte (auf die deutschsprachige Ausgabe wollen wir gar nicht zu Sprechen kommen). Die Londoner Ausstellung führt nun erstmals fotografische Werke aus diesen beiden Perioden zusammen und – soviel gleich vorweg – vergibt sich dabei viele Möglichkeiten. Weder wird der nicht eben stetige Verlauf der Geschichte des Magazins eingehend erläutert noch in einen breiteren Zusammenhang gestellt. Die bloße Konzentration auf die Bildwerke mag noch einleuchten, doch lässt die recht lieblose Hängung, wenn auch mit einigen Originalausgaben der Zeitschrift ergänzt, nicht viel Dialog zwischen den einzelnen Positionen zu, die wiederum für sich stehend oft (vor allem aber die jüngeren) nicht viel zu transportieren haben. Trotzdem sind auch Perlen des Porträtgenres zu finden: Edward Steichen, der seit 1923 die Position des Chef-Fotografen einnahm, oder später Annie Leibovitz in dieser Funktion steuern hier starke Bilder bei, etwa das ornamental verfremdete Gesicht des Stummfilmstars Gloria Swanson oder eine atmosphärisch dichte Aufnahme von Robert Mitchum, am Pier stehend in einem durchnässten Trenchcoat, zerknautscht – diese Beispiele veranschaulichen, dass es oft gar nicht viel Pomp bedarf, um eine Essenz einzufangen, und sei sie auch noch so ephemer, doch das ist die Strategie der Hochglanzmagazine freilich nicht. Einerseits lässt die zeitliche Kluft die zwei Phasen recht disparat erscheinen, haben sich die Fotografie und ebenso ihr Stellenwert in diesen Jahrzehnten doch immens verändert, andererseits liegt es wohl auch an der Auswahl der Dargestellten selbst, in der sich wiederum die Ausrichtung des Magazins spiegelt: Bilder von Einstein, Joyce oder auch den Sitwells treffen auf – nicht – ebensolche von Demi Moore, Jennifer Lopez oder auf das unsägliche „Familienfoto“ von Tom Cruise mit Frau und Kind (bezeichnenderweise fehlt hierbei jede Erläuterung). Da mag nicht recht Begeisterung aufkommen, auch nicht, wenn man den Kulturpessimismus mal beiseite ließe.
Mehr Texte von Naoko Kaltschmidt

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Vanity Fair Portraits: Photographs 1913–2008
14.02 - 26.05.2008

National Portrait Gallery
WC2H 0HE London, St Martin`s Place
Tel: +44- 020 7312 2463, Fax: +44-020 7306 0056
http://www.npg.org.uk/
Öffnungszeiten: 10-18 h


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